piwik no script img

Eine Frau geht ihren Weg: Souad Massi in der FabrikDie Blumen der algerischen Poesie

Algerische Musik – die meisten denken da an die Raï-Heroen Khaled und Cheb Mami. Eine ruhige Frau mit Gitarre und sanfter Stimme, die sich des musikalischen Vokabulars von Folk, Chanson und Rock bedient, das passt nicht in unser festgelegtes musikalisches Bild vom Maghreb. In Frankreich allerdings ist Souad Massi mit ihrem Album Deb – Heart Broken ein Star geworden. Nun kommt sie mit ihrer fünfköpfigen Band erstmals nach Deutschland.

Souad Massi wuchs mit Châabi, der typischen Popmusik Algiers auf, hörte den Country einer Emmylou Harris, den Rock der Dire Straits, begeisterte sich für den Flamenco eines Paco De Lucía. „Wir waren sehr offen gegenüber der Musik des Okzidents, meine Brüder und ich“, sagt sie.

Auf klassischen Gitarrenunterricht folgte bald die Gründung einer Rockgruppe, die sich zum Erfolgs-Act mauserte – und die Probleme waren vorprogrammiert. Eine Frau, die eine Hardrockband frontet? Fundamentalisten lauerten am Rande der Festivals, Morddrohungen liefen übers Telefon ein. „Für mich war es während des Bürgerkrieges der blanke Horror“, sagt Souad Massi. „Wegen der Ausgangssperre durftest du ab sieben Uhr abends nicht mehr raus, als Unverheiratete schon gar nicht, Studios in Algier wurden nicht an Frauen vermietet.“

Bis heute klingt diese traumatische Phase ihres Lebens in den Texten nach, die von klaustrophobischen Metaphern nur so wimmeln. Nach frustrierender Abstinenz von der Musik und einer Zeit als Stadtplanerin kam 1999 eine Einladung ins Pariser Cabaret Sauvage. „Der Erfolg war so unerwartet, dass ich auf der Bühne zu weinen anfing“, erzählt Souad Massi, die bald erkannte, dass an der Seine ihr neues künstlerisches Zuhause lag.

In Frankreich und England lag ihr das Auditorium zu Füßen, ihr neues Album, auf dem sich Chanson, Folk und Weltmusiktupfer von Rumba bis Indien paaren, avancierte zur Nummer Eins der Weltmusikcharts. Dazu liefert sie wunderbare Poesie, die in ihrer Blumigkeit aus der Tradition schöpft. Unterbewusst sei sie sicherlich von den klassischen arabischen Dichtern beeinflusst, meint Souad Massi. „Allerdings schreibe ich in einer sehr einfachen Sprache. Zum Beispiel vergleiche ich Algerien mit einer schönen Frau, die gefesselt ist, der niemand zuhört.“

Mit ihrer erstaunlichen Karriere hat Souad Massi gezeigt, dass diese Fesseln gesprengt werden können. Stefan Franzen

Donnerstag, 21 Uhr, Fabrik

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen