Naher Osten in Wilmersdorf

Junge Israelis demonstrieren vor ihrer Botschaft gegen das Vorgehen des eigenen Staates im Gaza-Streifen. Die Polizei ist nervös, Passanten machen mit und in der Botschaft nimmt niemand Notiz

VON CEM SEY

Bis in eine ruhige, grüne Ecke des gutbürgerlichen Bezirks Wilmersdorf drang gestern Nachmittag die konfliktträchtige Realität Israels vor. Hier, in der Auguste-Viktoria-Straße, liegt die israelische Botschaft. Ab 14 Uhr stellen sich ein Dutzend – zumeist junge – Menschen und zwei Hunde vor die gut gesicherte Eingangstür. Sie protestieren gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Streifen und lassen sich mit ihren Plakaten fotografieren. Nervöse Polizisten mischen sich sofort ein und schicken sie weg zur nächsten Straßenkreuzung. „Hier ist keine Demonstration bewilligt worden“ sagt ein Beamter. Während die Protestierenden dieser Anweisung Folge leisten, dreht sich die Überwachungskamera der Botschaft leise und lässt sie nicht eine Sekunde aus den Augen.

Dabei ist die Aktion friedlich. Die meisten sind in Leipzig lebende Israelis, erzählt Miriam, eine der jungen Demonstranten. „Wir haben letzte Woche vor dem Fernseher gesessen und sagten uns, dass man angesichts dessen, was in Gaza passiert, etwas tun sollte.“ Dann sei ganz spontan diese symbolische Protestaktion geplant worden. Diese haben sie bewusst nicht groß angekündigt. „Auch in Israel werden in diesen Tagen Mahnwachen vor dem Büro des Premiers gehalten“, sagt Miriam. „Übrigens war es vor zwanzig Jahren während des Libanonkrieges genauso.“

„2 Staaten für 2 Völker“ steht auf Omry Kaplans Transparent. „Wir wollen nicht für oder gegen eine Seite demonstrieren. Das ist sehr wichtig“, sagt er. Er spricht schnell und gut Deutsch. Der 31-jährige israelische Doktorand aus Leipzig hat viele Jahre in der Schweiz verbracht.

„Wir sind gegen die künstlichen und falschen Gegenüberstellungen. Auf der einen Seite die, die pro Israel sind, auf der anderen Seite die, die für die Palästinenser sind. So kann man nur die Gewalt verstetigen“, sagt Kaplan. Es müsse beiden Seiten gut gehen – das klappe nur, wenn sie friedlich zusammenlebten. Dann fordert er: „Die Besatzung muss beendet, die Mauer sofort abgerissen werden. Und wenn sie so notwendig ist, sollte sie auf israelischem Territorium gebaut werden.“ Außerdem müssten das Abreißen der Häuser und außergesetzliche Hinrichtungen eingestellt und die Bewegungsfreiheit der Palästinenser gewährleistet werden. „Das palästinensische Volk muss anerkannt und ihm das Recht auf einen unabhängigen Staat zuerkannt werden“, so Kaplan.

Außer den Polizisten auf der anderen Straßenseite und den Fahrern der vorbeifahrenden Autos gibt es niemanden, der dieser Aktion Aufmerksamkeit schenkt. Selbst die Spieler auf dem Tennisplatz direkt hinter den Demonstranten nehmen keine Notiz. Eine ältere Frau, die sich spontan anschließt, fragt Kaplan: „Warum habt ihr sonst keinen angesprochen?“ Omry Kaplan antwortet: „Wir machen es für die Presse. Der Spiegel ist zum Beispiel da.“ Sein Gesichtsausdruck lässt seine Gedanken erraten: „Was wollt ihr mehr?“

Eine andere Frau nähert sich und erzählt, dass sie eine deutsche Jüdin sei. Dann guckt sie zur Botschaft: „Aus den Fenstern schaut niemand raus. Ich fürchte, es ist ihnen völlig egal.“ Miriam erklärt: „Heute ist Schawuot – ein jüdischer Festtag. Es ist keiner in der Botschaft.“