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: Bauernopfer oder Menschenopfer?

Die Wahrheit ist so banal wie brutal: Bei den jüngsten Streichungsplänen der großen Koalition werden die auf der Strecke bleiben, die keine Lobby haben. Aidskranke Junkies? Danach kräht doch kein Hahn. Andere, differenziertere Gedanken kann man leider keinem der Politiker unterstellen, die die Aidshilfe mit ihren 160.000 Euro im Jahr über die Klinge springen ließen. Auch und gerade Sozialsenatorin Karin Röpke nicht – denn sie hätte die anderen über die Einmaligkeit und Unverzichtbarkeit dieses Angebots für die Ärmsten unter den Armen unterrichten müssen.

Man mag sich diese illustre Runde im Koalitionsausschuss gar nicht vorstellen, wie sie da mit dem Stift in der Hand, schwankend zwischen Ahnungslosigkeit und Tatendrang ihre Streichlisten führte. Wohl wissend übrigens, dass nicht alle Pläne umgesetzt werden können. Der Aufstand der gut betuchten und politisch versierten Bürger Horns und Schwachhausens wird vielleicht das Aus fürs Horner Bad verhindern. Die Polizei hat es dank ihrer Proteste geschafft, die Schließung einiger Reviere zu verhindern. Und die Aidshilfe? Mehr als Szene-Proteste kann sie in diesen Spar-Zeiten, in denen jeder sich selbst der nächste ist, nicht erwarten.

Aber auch wenn die ganz großen Proteste ausbleiben: Frau Röpke und ihre Senatskollegen haben noch die Möglichkeit, ihren Beschluss zurückzunehmen. Und sie sollten es tun – nicht nur angesichts des finanzpolitischen Unsinns, den die Schließung bedeutet. Sondern vor allem deshalb, weil sich in Zukunft mit Sicherheit mehr Menschen in Bremen mit der tödlichen Krankheit Aids infizieren – und dann ist aus einem Bauernopfer ein Menschenopfer geworden.

Elke Heyduck