Draußen leiser Protest, drinnen laute Kritik

Draußen will Dr. Seltsam den verpennten Berliner Bär wiedererwecken – drinnen beschließt die Banken-Hauptversammlung erst mal satte Erhöhung der Bezüge. Nur 60 Steuerzahlende kamen zum Protest gegen die Bank

Vom bedeckten Himmel fallen vereinzelt Tropfen auf den Platz vor dem ICC. Drinnen tagt die Hauptversammlung der angeschlagenen Bankgesellschaft. Draußen stehen die Bankkritiker, die ein Volksbegehren zur Auflösung des mehrheitlich landeseigenen Finanzinstituts starten. Der Wind weht den Bankenkritikern ins Gesicht. Flugblätter müssen mit Gummibändern am Tisch fixiert werden, um nicht wegzuwehen. Nachdem gestern das „öffentliche Einschreiben“ um 12.30 Uhr begonnen hatte, sammelten sich bis 13 Uhr immerhin 60 Menschen um den Lautsprecherwagen der Initiative „Berliner Bankenskandal“.

„Das Wetter darf uns nicht abschrecken“, sagt Klaus Hahn, 58 Jahre alt, der nach eigenem Bekunden als „verarschter Steuerzahler mobilisiert wurde“. Mit mehr Teilnehmern am Happening habe man eh nicht gerechnet, ist am Stand der Attac-Aktivisten recht nüchtern zu hören.

Die Berliner Attac-Gruppe ist Teil der Bankeninitiative um den FU-Professor Peter Grottian. Der beklagte in einer kurzen Ansprache „die öffentliche und mediale Stille um die Bankgesellschaft Berlin“ – dabei habe „sich seit einem Jahr fast nichts an der desaströsen Lage geändert“.

Für maßvolle Unterhaltung wurde gesorgt – trotz ernstem Thema und schlechtem Wetter. Der Kabarettist Dr. Wolfgang Seltsam erklärte im passenden Anzug das „kapitalistische Bankwesen“: Schon weil die Herren der Bankgesellschaft keine günstigen Nahverkehrsmittel bräuchten, „sondern Chauffeure haben, wird die öffentliche Haftung von 27 Millarden selbstverständlich zur Gänze ausgenutzt werden“.

Das befürchten auch diejenigen, die gekommen sind, um denen da oben mal ihre Meinung zu sagen. Einige Ver.di-Aktivisten forderten den Erhalt der Sparkasse, die auch die Initiative-Mitglieder als Anstalt öffentlichen Rechts wiederherstellen wollen.

Zwischen einem Stück Kuchen zum Solidaritätspreis beklagen zwei ältere Herren den Streikabbruch der IG Metall: „Jetzt kriegen die auch noch die Gewerkschaften kaputt.“ Die Demonstranten klatschen heftig, als Dr. Seltsam ankündigt, der schlafende Berliner Bär könne durch das Volksbegehren geweckt werden.

Drinnen im ICC ist von den Protestlern wenig zu spüren. Die mehr als 500 Kleinaktionäre der Bankgesellschaft unterscheiden sich, zumindest äußerlich, kaum von den Protestlern: Drinnen wie draußen sind es zu einem großen Teil ältere Herrschaften, die sich, mit Jute-Taschen und diversem Infomaterial bewaffnet, einen ereignisreichen Tag mit kostenlosen Speisen vor oder im ICC gönnen.

Während draußen das Protestkabarett läuft, hagelt es drinnen von den Kleinaktionären Kritik an Vorstand und Aufsichtsrat der Bankgesellschaft. Zwar bescheinigten mehrere Redner der Bank, Fortschritte bei der Sanierung gemacht zu haben. Dennoch mahnte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz den Vorstand, seine Kunden nicht durch ein zu starkes Zurückfahren des Angebots zu vergraulen. Es sei zudem die Frage, ob das Management die Risikokontrolle inzwischen in den Griff bekommen habe.

Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre kritisierte die geplante Erhöhung der Aufsichtsratsbezüge als „unsensibel und unpassend“, zumal einzelne Mitglieder für die desaströse Lage mitverantwortlich seien. Die Hauptversammlung beschloss am späten Nachmittag, die Jahresvergütung der Aufsichtsräte von 4.500 auf 15.000 Euro anzuheben. Vor der Tür hätte das für einen großen Proteststurm gesorgt – wenn die Ini-Stände nicht schon längst abgeräumt gewesen wären. HAH, ROT