Acht Monate sind ein Tag

Die Kieler Landesregierung gewährt ein für Eltern kostenfreies Kita-Jahr – ab August. Im soeben in Kraft getretenen Gesetz fehlt diese Einschränkung. Die Opposition spricht von Schlamperei. Eltern wird davon abgeraten, schon jetzt nicht mehr zu zahlen

Der Kita-Besuch soll in Schleswig-Holstein die Eltern nichts mehr kosten – darin sind die Fraktionen grundsätzlich einig. Streit gab es darum, wie und in welchem Tempo dieses Ziel umgesetzt werden solle und woher das Geld kommt. So beschloss der Kieler Landtag mit den Stimmen der großen Koalition im vergangenen Jahr zunächst, das letzte Kita-Jahr vor der Schule beitragsfrei zu gestalten. Ab 2013 sollen alle drei Jahre gebührenfrei sein – die Finanzierung unklar.  EST

VON ESTHER GEISSLINGER

„Im letzten Jahr vor Schuleintritt eines Kindes“ müssen Eltern keine Beiträge mehr für den Kita-Besuch bezahlen: Darauf haben sich die Regierungsparteien in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr geeinigt. In Kraft getreten ist das entsprechende Gesetz am 1. Januar. Ein Bediensteter des Lübecker Rathauses kam ins Grübeln: Fallen die Kita-Beiträge etwa sofort weg? Das würde das Land eine stattliche Summe zusätzlich kosten: Im Haushalt ist vorgesehen, dass die Maßnahme erst im August greift – da beginnt das neue Kita-Jahr.

Doch eben dieser Hinweis, die Unterscheidung von Kalender- und Kita-Jahr, fehlt im Gesetz, das immerhin von mehreren Ministerien gebilligt wurde und auch den Landtag passierte, ohne dass der Fehler auffiel. Erst ein Bericht der Lübecker Nachrichten machte auf das Versäumnis aufmerksam. „Dass diese vier Buchstaben nicht dort stehen, ist eine Panne“, hieß es nun auf taz-Anfrage aus einem der beteiligten Ministerien. Folgen hat das Missgeschick voraussichtlich keine – auf diesem Standpunkt steht zurzeit jedenfalls die Landesregierung. In einer Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums vom Freitag heißt es: „Zwar wird im Gesetz nicht explizit auf ein Inkrafttreten der neuen Regelung zum 1. August 2009 hingewiesen. Doch aus der Gesetzesbegründung geht der Zeitpunkt klar hervor.“ Sowohl in der politischen als auch in der öffentlichen Debatte sei es ausschließlich um diesen Stichtag gegangen: „Über diese Fakten gab es im Parlament keinerlei Missverständnisse.“

Die Opposition, allen voran die FDP, sieht das anders: „Grundlage für den Befreiungsanspruch der Eltern ist das Gesetz“, so der Vorsitzende der Liberalen im Landtag, Wolfgang Kubicki. „Die Regelung ist an Klarheit nicht zu überbieten: Eltern müssen demnach nicht einmal einen Antrag auf Gebührenbefreiung stellen.“ Monika Heinold, jugendpolitische Sprecherin der Grünen, erklärte: „Fehler passieren, aber dieser Fehler darf nicht auf Kosten der Familien in Schleswig-Holstein korrigiert werden.“ Der Vorfall sei ein weiterer Beweis, dass „die große Koalition schlampig arbeitet“.

Würden tatsächlich alle Elternbeiträge ab dem 1. Januar wegfallen, entgingen der Landeskasse rund 20 Millionen Euro. Für den Zeitraum ab August hatte die große Koalition etwas über 14 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Ab 2010 sind pro Jahr 35 Millionen Euro vorgesehen.

„Regierungskunst vom Feinsten“, spöttelt Bernd Schauer, Landes-Geschäftsführer der Gewerkschaft GEW, über den Fehler im Gesetz. Dass Eltern vor Gericht durchkommen, wenn sie ab sofort keine Beiträge mehr zahlen, bezweifelt er – und rät von einem Versuch ab: „Das ist eine Frage, über die Juristen sich jahrelang streiten können.“ Dennoch wäre es im Sinne der GEW, die Gebührenbefreiung sofort in Kraft treten zu lassen: „Es wäre ein gutes politisches Signal.“

Ute von Bargen-Sauer, Referentin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, sieht das ähnlich: „Wir würden es natürlich begrüßen, wenn das Gesetz schneller umgesetzt würde.“ Dass es tatsächlich passiert, hält aber auch sie für unwahrscheinlich. „Ärgerlich und bedauerlich“ fände Bargen-Sauer es, „wenn es durch öffentlichen Streit über dieses Gesetz, das von seiner Intention her gut ist, Irritationen bei den Eltern gibt“.

Das Land will sich durch die Panne nicht im ursprünglich geplanten Zeitablauf stören lassen. Das Finanzministerium kündigte am Freitag an, noch im Januar werde „in enger Abstimmung zwischen der Landesregierung und den Regierungsfraktionen“ eine „gesetzliche Klarstellung“ nachgelegt.