Die Rotstift-Klausur

Niedersachsen: Das schwarz-gelbe Kabinett brütet heute hinter den Burgmauern von Warberg, wie 1,45 Milliarden Euro einzusparen sind

„Zuerst blockiert die CDU alles, jetzt erwartet sie Kooperation“

aus HannoverKAI SCHÖNEBERG

In Bremen demonstrieren sie schon: Blinde, Polizisten, Feuerwehrleute und Homosexuelle protestieren seit Wochen gegen die Sparpläne der großen Koalition. Jetzt macht auch die schwarz-gelbe Regierung in Niedersachsen ernst. Ab heute hat sich das Kabinett von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in Klausur auf Schloss Warberg nahe Helmstedt zurückgezogen. Von der „härtesten Sparrunde der niedersächsischen Geschichte“ schreiben die Zeitungen, „wir ziehen die Reißleine“, sagt Bernd Althusmann, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion – und deutet gleichzeitig an, dass die selbstverordnete Sparquote von vier Prozent quer durch alle Ressorts nur eine „Zielmarke“ ist.

Hinter den Warberger Burgmauern wird Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) also bis morgen seine Kollegen in Einzelgesprächen mit folterähnlichen Kürzungsschrauben martern: Insgesamt 1,45 Milliarden des 23,3 Milliarden-Euro-Haushalts sollen gestrichen werden. Die vorgezogene Steuerreform dürfte die Landeskassen im Jahr 2004 noch mal um eine Summe zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro erleichtern.

Daran mag zur Zeit keiner denken. Vier Prozent sind schon heftig genug. Kultusminister Bernd Busemann und Elisabeth Heister-Neumann (Justiz, beide CDU) haben bereits erklärt, die Quote sei kaum zu erfüllen. Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) soll 140 Millionen Euro sparen – sie meint, daran möge sich der Bund beteiligen. Niedersachsen solle im Bundesrat Initiativen starten, die Finanzlasten auf Berlin abwälzen.

„Dreist“ findet diese Idee der grüne Finanz-Experte Stefan Wenzel. „Zuerst blockiert die CDU alles, jetzt erwartet sie Kooperation“. Vor allem findet er es aber „fragwürdig“, dass Schwarz-Gelb „keine Schwerpunkte“ gesetzt habe. Besonders Kürzungen im Bildungsbereich seien „katastrophal für ein Land ohne Rohstoffe“, sagt Wenzel – und meint den Beschluss, die Lernmittelfreiheit nach 13 Jahren zu kassieren. Die meisten Eltern müssen demnächst für die Schulbücher ihrer Kinder zahlen. Ersparnis: 13 Millionen Euro.

Dass dafür immerhin die Zahl der Lehrer um 2.500 aufgestockt werden soll, „tragen die Grünen mit“, sagt Wenzel. Die versprochenen 1.000 neuen Polizisten fürs Land hält er hingegen für „unverantwortbar.“

Die Neueinstellungen dürften in der laufenden Legislaturperiode insgesamt eine Milliarde Euro kosten – „sowas hätten wir nie zugesagt“, kritisiert Dieter Möhrmann, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Allerdings dürfte die SPD bei Kürzungen im öffentlichen Dienst „mitgehen“. Dass die Landesbediensteten weniger Weihnachtsgeld bekommen, ist schon beschlossen. Der Wegfall des Urlaubsgeldes würde weitere 30 Millionen Euro bringen, der Abbau von 12.000 Stellen bis 2007 scheint unausweichlich.

Außerdem werden das Statistische Landesamt und der Verfassungsschutz bluten müssen. Bremen plant schon die landesübergreifende Fusion der Behörden. Beim Verfassungsschutz würden da auch die Grünen mitziehen. Finanzmann Wenzel meint: „Bei den Querelen um das NPD-Verbot hat sich doch gezeigt, dass die sich nur gegenseitig auf den Füssen stehen.“