Scheherazade oder Schultze?

Streit um geplante Moschee in Neukölln. Verein will islamisches Zentrum für die 60.000 Muslime in der Umgebung. Der Bezirk ist dagegen, Strieder eigentlich auch. Doch seine Verwaltung hat den Bau erlaubt – aus Versehen, aber rechtlich bindend

von JAN ROSENKRANZ

Willi Schultze muss wohl umziehen. Denn dort, wo heute noch seine Straßen- und Tiefbaufirma ein Lager unterhält, könnte bald das größte muslimische Kulturzentrum der Bundesrepublik entstehen: sechzig Meter lang, sechs Stockwerke hoch, zuzüglich zweier vierstöckiger Quergebäude – und einer Moschee.

Der kleine Verein „Inssan für kulturelle Interaktion“ will an der Neuköllner Pflügerstraße, in der Nähe des Maybachufers, einen Komplex mit Schulungs- und Sporträumen, Bibliothek und Basar, Wohnungen und Kita errichten. In der vergangenen Woche hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durch einen offenbar versehentlich erteilten Bauvorbescheid grünes Licht gegeben – und damit einen politischen Streit losgetreten.

Der Bezirk Neukölln hatte das Vorhaben zuvor nämlich ausdrücklich abgelehnt. Begründung: In diesem Gebiet gebe es schon jetzt erhebliche soziale Verwerfungen. Es sei zu befürchten, dass sich die ethnischen Spannungen weiter verschärfen, so Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD).

„Der Komplex soll aussehen wie eine Filmkulisse aus ‚Tausendundeiner Nacht‘, mit orientalischer Fassade, Türmchen und Kuppel. Alles wunderschön – passt nur leider nicht nach Neukölln-Nord“, beklagt Buschkowsky. Die Senatsverwaltung war da offensichtlich anderer Meinung und hat dem Antrag im Widerspruchsverfahren stattgegeben. Eine Entscheidung, die Buschkowsky nicht nachvollziehen kann. Auch der Entschuldigungsbrief von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder nütze ihm wenig. „Offensichtlich hat der seine Verwaltung nicht im Griff.“

Aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt es unterdessen, dass Strieder anders entschieden hätte, hätte ihm selbst der Antrag vorgelegen. Dies sei aber nicht vorgeschrieben. „Baurechtlich ist der Beschluss im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten und darum auch rechtlich bindend“, sagt Strieders Sprecherin, Petra Reetz. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Mitarbeiters sei, so Reetz, ein ausdrückliches Empfehlungsschreiben der damaligen Ausländerbeauftragten Barbara John gewesen. Der Bezirk hätte zuvor seine Bedenken deutlich äußern müssen.

Im Verein „Inssan“ kann man die Kritik an seinem Vorhaben nicht verstehen. Erst recht nicht an der Größe des Projektes. „Größe ist etwas Relatives. Wenn man sieht, dass in der Gegend über 60.000 Muslime leben, dann wirkt unser Projekt klein“, sagt Vereinsvorsitzender Bouabdallah Sallah. „Inssan“-Geschäftsführerin Lydia Nofal kündigte jedoch schon an, dass man kein Interesse daran habe, den Bau „gegen den Willen des Bezirkes“ zu errichten.

Ob das Zentrum überhaupt kommt, ist vorerst allerdings fraglich. Noch gehört „Inssan“ nicht einmal das Grundstück, man verhandele mit einer Erbengemeinschaft, heißt es. Wie der erst einjährige Verein mit seinen nach eigenen Angaben gerade einmal 40 Mitgliedern den Bau finanzieren will, steht auch noch nicht fest. Ein Großteil soll durch Spenden hereinkommen. Außerdem sei man „in Kontakt zu verschiedenen Stiftungen und Sponsoren“. Eigentlich müsse doch auch der Senat Zuschüsse zahlen, schließlich würde der Verein mit seiner Integrationsarbeit der ganzen Gesellschaft einen Dienst erweisen. „Dann würde auch nicht sofort die Gerüchteküche losbrodeln, ob wir dubiose Verbindungen haben“, sagt Lydia Nofal.

In zehn Jahren soll das Zentrum samt Moschee stehen. In spätestens drei Jahren muss der Bau beginnen. So lange kann Willi Schultze wohl noch auf dem Grundstück lagern.