„Wir brauchen nazifreie Räume“

Eine Antifa-Gruppe und Schüler planen ein linkes und selbst verwaltetes Jugendzentrum – mitten in Lichtenberg

Besonders schlimm war es letzten Herbst. Grölende Gruppen junger Männer gingen immer dann auf Hetzjagd, wenn sich am Anton-Saefkow-Platz in Lichtenberg alternative Jugendliche oder nichtdeutsche Passanten zeigten. „Wenn BFC Dynamo oder die Eisbären im Sportforum spielen, triffst du hier in der Konrad-Wolf-Straße unzählige Nazis“, stellt Nico Roth fest. Der 20-Jährige engagiert sich in der Antifa Hohenschönhausen und kennt die Szene zur Genüge.

Die Altbezirke Lichtenberg und Hohenschönhausen gelten seit der Wende als rechtsradikale Hochburgen – mit Schwerpunkten um Parks, Einkaufspassagen und Bahnhöfen. Übereinstimmend berichten das Zentrum demokratischer Kultur, Jugendvereine und lokale Antifagruppen von einem starken rechten Milieu. Der Verfassungsschutz macht in seinem Bericht für 2002 den Proberaum der europaweit bekannten Nazirockband „Vandalen“ ebenfalls vor Ort aus.

Nico will das nicht hinnehmen, zusammen mit einer Gruppe von 40 jungen Leuten. Sie kommen aus der Antifa, machen eine Schülerzeitung oder engagieren sich in „Iskra“ – dem „Verein zur Förderung selbst gestalteter Jugendkultur“. Anfang diesen Jahres griffen sie eine alte Idee neu auf – ein Jugendzentrum: selbst verwaltet und links.

Auch Sophie Schultz ist dabei, 18 Jahre alt und Schülerin in Friedrichsfelde. Sie beschreibt sich als „links, kritisch und alternativ“ und empört sich: „Wir brauchen nazifreie Räume – nicht erst, wenn wir wegziehen.“ Im Sportjugendclub am Bahnhof Lichtenberg gäbe es sogar Besuche der „Kameradschaft Tor“, junge Neonazis, die vom Konzept der akzeptierenden Jugendsozialarbeit dort profitierten. Das sei ein Skandal, finden auch Mitglieder von „Iskra“, und wollen eigene Räume vom Bezirk. Sie treffen sich einmal monatlich, um als Bündnis ihre Forderungen zu formulieren.

Bezirksbürgermeisterin Christina Emmerich (PDS) versprach, ein Haus zur Verfügung zu stellen. Seit Jahresanfang gab es drei Treffen zwischen Baustadtrat Andreas Prüfer (PDS) und dem Bündnis. „Es gibt ein deutliches Interesse des Bezirks, ein geeignetes Objekt zu finden“, so Prüfer. Das ist nicht nur Entgegenkommen – der Bezirk wird in mehrfacher Hinsicht vom Jugendzentrum profitieren. Die Jugendlichen müssen das Gebäude kostenlos instand halten, sie renovieren unentgeltlich und bezahlen sämtliche Reparaturen. Sind Jugendeinrichtungen normalerweise mit mindestens einer festen Stelle und mehreren Honorarkräften ausgestattet, so wird hier vollständig darauf verzichtet. Die Initiative rechnet außerdem „mit 3.000 Euro monatlichen Betriebskosten – ohne einen Cent vom Bezirk“. Davon geht auch das Jugendamt aus.

Das wird man nicht nur durch Konzerte und Partys einnehmen können. In einem geeigneten Objekt sollen über den Clubräumen Wohngemeinschaften einziehen, die dann „regulär Miete“ zahlen. „Leider gab es bisher baurechtlich erhebliche Schwierigkeiten. Kitas beispielsweise verlieren bei Leerstand erst mal ihre Nutzungsgenehmigung“, gibt Prüfer zu bedenken.

Eine umfangreiche Ideensammlung für den alternativen Club gibt es trotzdem schon. Iskra, Antifa und Schüler wollen Politik und Kultur anbieten: Neben Konzerten, Graffiti-Workshops und Jugendcafé soll es auch ganz konkret um politisches Bewusstsein gehen. „Wir wollen gegen faschistisches Gedankengut immunisieren“, sagt Roth. Dazu könnten Lesekreise, Veranstaltungen und vor allem kompetente Partner beitragen. Zusammen mit dem antifaschistischen Pressearchiv sollen Vorträge erarbeitet werden. Kontakte zum Anne-Frank-Zentrum will man für Gedenkstättenfahrten nutzen. Die Initiative sucht noch Helfer, etwa Maler, Maurer oder Elektriker. Sophie jedenfalls ist sich sicher: „Bis Jahresende gibt es eine Einweihungsparty – nazifrei. HANNES HEINE