Sportfest mit Papphülsen

Am vergangenen Samstag legte die ARD das „Spiel ohne Grenzen“ unter neuem Namen wieder auf. Doch „Deutschland Champions“ ließ den grotesken Charme des historischen Städteduells vermissen

von CLEMENS NIEDENTHAL

Mercedes CLK gegen Mercedes M-Klasse. Cabrio gegen Geländewagen. Sylt gegen Garmisch-Partenkirchen. Weiter entfernt als an diesem Samstagabend hätten Krise und Rezession kaum sein können. Kein Ost gegen West, kein Görlitz und auch kein Mölln. Es waren die (Zweit-)Wohnsitze der Starfriseure und Trachtenmodeschöpfer, der Christiansens und der Neureuther-Mittermaiers, die da in der Silverstar-Arena im Europapark Rust gegeneinander antreten sollten. „Deutschland Champions“ eben – denn zur besten Sendezeit hat auch die ARD längst „no time for loosers“, um es mit Freddy Mercury zu singen.

Dafür nimmt man sich im Ersten in diesem Sommer Zeit für einen Rekurs in die eigene Programmgeschichte. 105 Minuten Zeit, um genau zu sein. So lange wird es auch in den kommenden drei Wochen jeweils dauern, bis der momentan aktuellste Fernseh-Wiedergänger durch den Samstagabend geflimmert ist. Denn was dem ZDF mit ihrem reanimierten „Großen Preis“ lieb war, ist der ARD billig. Ziemlich billig sogar.

Zwar heißt „Deutschland Champions“ nicht so, trotzdem aber will die Show als eine Neuauflage vom legendären „Spiel ohne Grenzen“ daherkommen. Als ein Remix der unter anderem von Camillo Felgen und Frank Elstner moderierten Unterhaltungssendung. Diese selbst gewählten Bezüge allerdings, sie humpeln und sie hinken. Ja selbst früh genug Geborene werden sich höchstens wehmütig an das televisionäre Städteduell aus den Sechziger- und Siebzigerjahren erinnern. Ein Städteduell, das unter anderem deshalb so unterhaltsam war, weil es eben noch nicht unter den Bedingungen der Spaßgesellschaft ausgefochten wurde.

Dass dem so war, belegte die ARD am Samstagabend freundlicherweise mit einer kurzen Retrospektive: Zu sehen waren junge Menschen in engen, hellblauen Trainingsanzügen. Wären die abgebildeten Disziplinen nicht so grotesk gewesen – Staffellauf in beinahe litfasssäulengroßen Papphülsen zum Beispiel –, man hätte meinen können, einem Kreissportfest im niedersächsischen Vechta beizuwohnen.

Von 1965 bis 1980 lief das „Spiel ohne Grenzen“ im öffentlich-rechtlichen Nachmittagsprogramm. 1989 dann verhob sich Michael Schanze ein erstes Mal an einer Neuauflage. Das aktuelle Update indes dürfte der Moderatoren-Trias Gerd Rubenbauer, Sabrina Staubitz und Mirco Nontschew ähnliche Rückenschmerzen bereiten.

Und das nicht nur, weil sich deren Wortmeldungen auf einige superlative „Wows“ (Sabrina Staubitz) und ein paar anzügliche Zoten (Gerd Rubenbauer) beschränkten. Mirco Nontschew werkelte ohnehin so glücklos vor sich hin, als müsse er den ganzen Fluch der unter anderem von ihm losgetretenen Comedy-Welle alleine ausbaden. Nontschew – eine Witzfigur im Supermann-Kostüm.

Weniger Witz- denn Medienfiguren waren indes die Kandidaten aus Sylt und Garmisch-Partenkirchen. Vierzehn öffentliche Körper mit Tätowierungen und Waschbrettbauch. Ein deutscher Meister im Steineheben war darunter. Und auch der Sohn der Gold-Rosi. Einmal als Schuko-Stecker verkleidet jedoch ließen auch sie den fernen Charme einer solchen Sendung erahnen. Dann funkelten plötzlich Momente einer fast unschuldigen Unterhaltungskultur in unsere schimmernde Medienmoderne hinein.

Letztlich personifizierte einer der musikalischen Gäste dieses Dilemma besonders eindrucksvoll: Daniel Küblböck, ein 17-jähriger Kinderpfleger, der gerade erst vorgeführt hat, wie kurz der Weg zum öffentlichen Superstar doch sein kann. Seitdem ist eine Sendung wie „Deutschland Champions“ wahrscheinlich nurmehr unter den Bedingungen Andy Warhols denkbar.