Mit Terrorangst gegen Migranten

Japan will mit schärferen Gesetzen die Zahl der illegal im Land lebenden Ausländer halbieren. Doch aus demografischen Gründen bräuchte das Land eigentlich wesentlich mehr und nicht weniger Einwanderer

TOKIO taz ■ Japans Parlament hat gestern das Ausländerrecht verschärft. So werden künftig Ausländer ohne gültige Aufenthaltsbewilligung härter bestraft. Wer ein Visum überzieht, muss mit dreimal so hohen Geldbußen rechnen wie bisher. Die Einreisesperre für ausgewiesene Ausländer wurde zudem von fünf auf zehn Jahre verdoppelt. Das Justizministerium schätzt die Zahl der illegal in Japan lebenden Ausländer auf 250.000. Diese Zahl will die Regierung in den nächsten fünf Jahren halbieren.

Der gestrige Parlamentsbeschluss steht im Zusammenhang mit wachsenden Terrorängsten der Bevölkerung. Kein anderes Land in Asien steht so treu zu den USA wie Japan, das selbst Truppen in den Irak entsandt hat. Nach den Terroranschlägen in Madrid haben Japans Behörden die Kontrollen in Bahnhöfen und Zügen verschärft.

Die Nervosität stieg, als letzte Woche bekannt wurde, dass ein Franzose mit mutmaßlichen Al-Qaida-Kontakten sich mehrfach in Japan aufgehalten hat. Lionel Dumont sei jeweils mit gefälschten Pässen und einem 90-Tage-Visum eingereist, zuletzt im Sommer 2003. Japanische Medien berichteten, der Franzose habe mit muslimischen Männern telefoniert, die in Japan ansässig sind. Dumont, der später in Deutschland verhaftet wurde, habe möglicherweise versucht, eine Terrorzelle aufzubauen.

Vorgestern verhaftete die Polizei bei landesweiten Razzien zwei Bangladeschi, einen Inder und einen Malawier. Ob die Festgenommenen zu Dumonts Bekanntenkreis gehörten und ob ihnen mehr zur Last gelegt wird als der Verstoß gegen Aufenthaltsregelungen, ist nicht klar. Dass die Behörden die Einwanderungsbestimmungen buchstabengenau durchsetzen, legen Medienberichte nahe. Ein US-Student, der sein Visum einen Tag überzogen hatte, musste mehrere Tage im Gefängnis verbringen. Dann wurde er abgeschoben, mit einer fünfjährigen Einreisesperre im Gepäck.

Derzeit leben 2 Millionen Ausländer in Japan. Bei einer Gesamtbevölkerung von 127 Millionen ist das eine der niedrigsten Ausländerquoten in einem Industrieland. Den größten Anteil stellen Koreaner, Chinesen und Brasilianer. In einer Umfrage Anfang Mai meinten als die Hälfte der Befragten, Immigranten hätten eher einen schlechten Einfluss auf die Gesellschaft.

Wolle Japan allerdings seinen Lebensstandard halten, brauche das Land aus demografischen Gründen zusätzliche 5 Millionen ausländische Arbeitskräfte in den nächsten zehn Jahren, schreibt der Chefökonom der Investmentbank Morgan Stanley. Bei der Lebensewartung steht Japan weltweit an der Spitze. Gleichzeitig ist die Geburtenrate markant zurückgegangen.

MARCO KAUFFMANN