Verhaftung im Morgengrauen

Der radikale muslimische Geistliche Abu Hamza wird in London verhaftet. USA beantragen seine Auslieferung

DUBLIN taz ■ Der „hakenhändige böse Kleriker“, wie ihn das britische Boulevardblatt Sun taufte, ist gestern früh in London verhaftet worden. Die USA beantragten die Auslieferung des radikalen muslimischen Geistlichen Scheich Abu Hamza al-Masri. Seine Anwältin Muddassar Arani sagte, sie wisse nicht, „ob ihm terroristische Aktivitäten vorgeworfen“ werden. Die Begründung für den Auslieferungsantrag wird bei der Vernehmung im Belmarsh-Gefängnis nachgeliefert.

Scotland Yard hat diese Verhandlung aus Sicherheitsgründen nicht in einem Gericht, sondern im Gefängnis anberaumt. Vermutlich beruht der Auslieferungsantrag auf Aussagen von Gefangenen in den USA, darunter James Ujaama, einem früheren Freund Abu Hamzas, der in den USA wegen Unterstützung der Taliban zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde und seitdem als Kronzeuge auftreten soll.

Auch der Jemen würde dem 47-jährigen Abu Hamza gern den Prozess machen. Er soll für eine Reihe von Bombenanschlägen verantwortlich sein. Hamzas damals 17-jähriger Sohn Mohammed Mustafa Kamel ist im Jemen wegen seiner Beteiligung an Bombenanschlägen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Abu Hamza stammt aus dem ägyptischen Alexandria, er hieß früher Mustafa Kamel Mustafa. 1979 zog er nach England, weil er Ingenieur werden wollte, und studierte in Brighton. Nachdem er sein Studium abgebrochen hatte, arbeitete Hamza als Türsteher bei einer Peepshow in Soho. 1981 heiratete er die Engländerin Valerie Fleming, die sich fünf Jahre später scheiden ließ.

Hamza behauptet, er habe in Afghanistan gegen die sowjetische Besatzung gekämpft und dabei einen Arm und ein Auge eingebüßt. Seitdem trägt er Stahlhaken und Glasauge. Nach seiner Rückkehr aus Afghanistan wurde er Imam der Moschee am Finsbury Park in Nordlondon. Zu den regelmäßigen Besuchern der Moschee zählten Zacarias Moussaoui, der mutmaßliche 20. Flugzeugentführer, und Richard Reid, der „Schuhbomber“. Seit Februar 2003 hat Hamza in der Moschee Hausverbot.

Dem Wohlfahrtsausschuss, der für die Moschee zuständig ist, war Hamza zu extrem. Unter anderem freute er sich öffentlich über die Anschläge vom 11. September 2001. Anas Altikriti, Expräsident der britischen Muslim Association, sagte, Verhaftungen von Muslimen im frühen Morgengrauen nehmen zu und senden gefährliche Signale aus. „Zwar repräsentiert Hamza niemanden“, sagte er. „Die Medien schenken ihm viel mehr Aufmerksamkeit, als er wert ist. Aber dennoch stehen ihm Menschenrechte zu.“ Mit einem Urteil im Auslieferungsprozess ist frühestens in drei Monaten zu rechnen. RALF SOTSCHECK