Dutroux-Anwalt jongliert mit Tricks

Im Prozess gegen den belgischen Kindermörder Marc Dutroux belasten sich die Angeklagten gegenseitig. Auch nach wochenlanger Beweisaufnahme steht die Anklage teilweise noch auf wackligen Füßen. Das Urteil wird Ende Juni erwartet

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Als am Donnerstagnachmittag Ronny Baudewyn, der dritte Verteidiger von Marc Dutroux, mit seinem Plädoyer begann, verließ Paul Marchal den Saal. Der Vater der im August 1995 entführten und ein Jahr später tot aufgefundenen An empörte sich über die „Taschenspielertricks“, mit denen der Anwalt die Geschworenen einzuwickeln versuche. Tatsächlich hatte Baudewyn Aufkleber und andere Requisiten mitgebracht, um seine Aussagen zu verstärken. Ein Foto von Marc Dutroux versah er mit einem blauen Behindertensticker, um deutlich zu machen: Dieser Mann ist ein Psychopath, unfähig zu menschlichen Gefühlen.

„Mit Marc Dutroux über Gefühle zu sprechen ist das Gleiche, wie Fußball mit einem Einbeinigen zu spielen – der Ball kommt nie zurück“, erklärte Baudewyn den Geschworenen. Hinterher verteidigte er seine flapsige Darstellung damit, dass er als Flame nicht eindringlich genug auf Französisch plädieren könne, deshalb habe er zusätzlich optische Hilfsmittel aus der Welt des Sports benutzt.

Es sei schon jetzt klar, dass sein Mandant das Gefängnis nie wieder verlassen werde. Aber er solle nicht für Taten verurteilt werden, die er nicht verübt habe. Die Entführung von An Marchal und Eefje Lambrecks im August 1995 trage nicht Dutroux Handschrift. Für den Mord an Bernard Weinstein habe der Angeklagte kein Motiv – Weinstein sei doch sein bester Freund gewesen.

Für die Verteidiger kommt es darauf an, die zwölf Geschworenen zu überzeugen. Sie werden am Ende über jeden der 32 Anklagepunkte gegen Dutroux, seine Frau, den Komplizen Lelievre und den Geschäftsmann Nihoul befinden und mit den drei Richtern einstimmig das Strafmaß festlegen. Dutroux Hauptverteidiger Xavier Magnee, der kommenden Dienstag plädieren wird, hat ebenfalls kritisiert, dass die anderen Angeklagten sich auf Kosten von Dutroux reinzuwaschen versuchen.

Dutroux’ Exfrau Michelle Martin hatte die zwei im Juni 1995 entführten Mädchen Julie und Melissa im Keller verhungern lassen, während ihr Mann wegen Autodiebstahls in Haft saß. Sie baut ihre Verteidigung darauf auf, nur aus Angst vor ihrem Mann Mittäterin geworden zu sein. Am Donnerstag sagte Verteidiger Baudewyn direkt zu Martin: „Die Untaten Ihres Ehemannes haben Ihnen Vergnügen bereitet.“ Die vier Anwälte von Martin werden ihre Plädoyers am kommenden Mittwoch halten, am Donnerstag folgen die Verteidiger des geständigen Michel Lelievre und des Geschäftsmannes Michel Nihoul.

Die Anklage, in der er als Kopf eines kommerziellen Pädophilennetzwerkes überführt werden soll, steht auch nach mehrwöchiger Beweisaufnahme auf wackligen Füßen. Staatsanwalt Michel Bourlet stützt sich hauptsächlich auf Aussagen des Mitangeklagten Michel Lelievre, er sei von Nihoul zu den Entführungen gedrängt worden. Der habe die Mädchen zur Prostitution zwingen wollen.

„In einem Punkt hat der Prozess neue Erkenntnisse gebracht – Michel Nihoul war zur fraglichen Zeit in Bertrix“, ist Staatsanwalt Bourlet überzeugt. Mehrere Zeugen wollen ihn am 9. August 1996 dort gesehen haben, als die 14-jährige Laetitia Delhez entführt wurde. Nur sie und die damals 12-jährige Sabine Dardenne konnten im August 1996 lebend aus dem Keller in Marcinelle bei Charleroi befreit werden.

Auch nach der Verhaftung von Dutroux im gleichen Monat war die Pannenserie nicht abgerissen, die der Verschwörungstheorie Nahrung gibt, höchste Kreise könnten die Verbrechen vertuschen wollen. Der Prozess selber läuft nach Plan. Das Urteil wird spätestens Ende Juni erwartet.