: berliner szenen Abzocker Mehdorn
Teure Umwege
Der Herr in dem Bahnsessel erster Klasse musste wohl schon länger zugehört haben. „Können Sie bitte endlich mit Ihrem lauten Gemecker über die Bahn aufhören?“ Dabei hatte ich gerade zu einer Frau am offenen Fenster des IC gesagt, dass man Mehdorn natürlich nicht mit Hitler vergleichen könne. Aber ein Abzocker sei er. „Bei 160 Stundenkilometern muss man laut reden“, rief ich in Richtung des Erstklässlers. Der aber starrte verbissen auf sein Notebook.
Also setzte ich zu einem meiner Lieblingsvorträge an. Wer eine Fahrkarte von Berlin nach Bremen kauft, wird pro Strecke um knapp 4 Euro betrogen. Das macht Mehdorn seit mehreren Jahren nach dem gleichen Muster: Wer naiv zum Schalter geht oder am Automaten kauft, bekommt ein Ticket über Braunschweig oder Hamburg (DB Kürzel BS/HH). Auch im Internet. Da diese Strecken länger sind, sind sie auch teurer und wesentlich langsamer als die Verbindung über Stendal. Zwar fährt fast jeder die kurze Strecke, zahlt aber den Umweg.
Dagegen hilft nur das langwierige Einzelgespräch mit den Schalterleuten. Sagen Sie einfach: „Ich will über Gardelegen, Oebisfelde und Stendal fahren und bin nicht bereit, mit Bahncard 25 mehr als 39 Euro zu zahlen. Beharren Sie auf Ihrer Position, auch wenn der Ticketverkäufer sauer wird. Sagen Sie ihm, er solle auch noch das kryptische NI*WUNS*SDL*(HENN/P) eingeben. Rechnen Sie nicht mit einer Entschuldigung bei Ticketausdruck, bleiben Sie ruhig! Oder fahren Sie einfach bis Stendal und nutzen die 7 Minuten Stopp zum sportlichen Ticketkauf. Denn in Stendal gibt’s ohne Diskussion tatsächlich Karten von und über Stendal.“ Der Erstklässler hatte nur leider längst einen Kopfhörer auf. ANDREAS BECKER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen