Die Herzen der Veteranen schlagen höher

Nach dreijähriger Bauzeit wurde am Samstag in Washington ein Denkmal für die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs eingeweiht. Kritiker vermissen eine umfassende Botschaft des Denkmals und mokieren sich über den pompösen „Sowjetstil“

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Traditionell gedenkt Amerika am letzten Maiwochenende seiner gestorbenen und noch lebenden Kriegshelden. Sonntag war „Memorial Day“, ein Tag, der für die jüngere Generation lange lediglich den Start in die Sommersaison markierte. Nicht so dieses Jahr, das ganz im Zeichen der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg stand. Sechs Jahrzehnte nach seinem Ende erhielten die 400.000 während des Kriegs gefallenen US-Soldaten endlich eine eigene Gedenkstätte.

Zehntausende Besucher nahmen am Samstag an der feierlichen Einweihung des Mahnmals teil. Doch die Erinnerung an die Vergangenheit vermischte sich mit dem Verarbeiten der Gegenwart. Die Besucher von Oklahoma bis Virginia bevölkerten nicht nur die Kriegsdenkmäler der US-Hauptstadt, sondern auch den auf der anderen Seite des Flusses gelegenen Soldatenfriedhof in Arlington mit seinen frischen Gräbern. Für vergangene Kriege wurden auf Washingtons „Mall“, der langen Parkachse zwischen Kapitol und Lincoln-Tempel, Denkmäler errichtet. Besuchermagnet war bislang das Vietnam Memorial, das in seiner schlichten Ausdruckskraft einem unwürdigen Krieg eine würdige Erinnerung gab und ernst mahnt. Was für ein Denkmal mag wohl der ebenso erlogene und falsche Irakkrieg bekommen?, fragt man sich.

Seltsamerweise blieb das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg lange ohne steinernden Ausdruck. Vor drei Jahren wurde dann endlich mit dem Bau begonnen. Als die Absperrzäune vor wenigen Tagen fielen, gaben sie den Blick frei auf einen Kreis hoher Betonblöcke, an denen eiserne Kränze hängen und zwei Triumphbogenportale mit riesigen Bronzeadlern. Die wuchtig-monumentale Formensprache schien von den Reißbrettern der Architekten hierzulande längst verbannt.

So schimpfen Kritiker über den „pompösen Sowjetstil“. Die Eleganz der grünen Achse werde durch die plumpe Konstruktion zerstört. Schlimmer noch, wettern Kommentatoren in der Hauptstadt: Das Denkmal habe keine Botschaft, die der transformatorischen Rolle des Krieges gerecht werde. Die in Stein gemeißelten Orte entscheidender Kriegsschauplätze rufen allenfalls die Erinnerungen von Veteranen wach. Sie erzählen nicht, wie dieser Krieg Amerika und die Welt verändert hat.

Die Besucher zeigen sich vom Streit in den Feuilletons unbeeindruckt. Teenager sagen, es sei „cool“, etwas Ältere finden es „great“, und das Herz aller Veteranen schlägt sowieso höher. Ihnen ist die Form egal, Hauptsache das Ding existiert.

„Es ist gelungen“, sagt Matt Davis. Auf Diskussionen will er sich nicht einlassen. Der 81-Jährige mit den vielen Goldzähnen wird von alten Kameraden fotografiert. Drei Jahre war er Soldat, landete mit seiner Infanterieeinheit in Marseille und kämpfte sich bis Frankfurt durch. Davis wirkt rüstig, doch einige Meter weiter bemühen sich Sanitäter um einen alten Mann. Am Rande des Denkmals stehen Rettungswagen und Krankenzelte bereit.

Die Vorsorge folgt einfacher Numerik. Rund 1.100 Veteranen sterben jeden Tag. Zur offiziellen Einweihung werden 70.000 Kriegsveteranen erwartet, alle zwischen 70 und 80 Jahre alt. Mit mehreren Dutzend Todesfälle während der Feierlichkeiten wird gerechnet. Davis will noch ein Foto von dem Stein mit der Aufschrift „Rhineland“ und „Remagen Bridge“ schießen. Nein, sagt er, gegen die Deutschen hege er keinen Groll mehr. Er schätze und respektiere ihren Widerwillen gegen den Irakfeldzug. „Sie haben ihre Lektion aus dem Weltkrieg gelernt, wir leider nicht aus Vietnam.“