25 Stunden wird die Oase zur Hölle

Muslime blieben verschont. Der Terror von al-Chobar verfolgte das Ziel, Ausländer abzuschrecken. Westler sind im Geburtsland des Islam ohnehin nicht mehr so gern gesehen

AL-CHOBAR AFP ■ Das endlose Warten war die Hölle. 25 Stunden lang versteckte sich der indische Computerexperte Baskar Venkataramani in seinem Badezimmer im Ausländerwohnkomplex „The Oasis“ in al-Chobar, während Extremisten draußen Jagd auf Nichtmuslime machten. „Ich konnte mir nicht vorstellen, meine Familie jemals wieder zu sehen“, sagte er der englischsprachigen Zeitung Gulf News. 25 Stunden kauerte er hinter Matratzen im Badzimmer, bis ein Spezialkommando das Drama beendete. 19 Ausländer und 3 Saudi-Araber kamen bei den Angriffen und der anschließenden Geiselnahme ums Leben, 41 Geiseln wurden befreit.

Das Terrorwochenende in Saudi-Arabien endete dramatisch. Ein Hubschrauber setzte am Sonntagmorgen 40 Sicherheitsbeamte auf dem Dach des sechsstöckigen Wohnkomplexes ab. Das Kommando stürmte das Gebäude und befreite gewaltsam die Geiseln. Der Jordanier Nidschar Hidschasin, einer der überlebenden Gefangenen, schilderte die Qualen: „Neun wurde von den Kidnappern die Kehle durchgeschnitten, nachdem sie versucht hatten, nachts durch das Treppenhaus zu fliehen.“ Doch nur einer der Täter wurde gefasst, den drei anderen gelang in einem gestohlenen Auto die Flucht.

Seit Monaten herrscht in dem Königtum ein unerklärter Krieg gegen das Terrornetzwerk al-Qaida, dessen Führer Ussama Bin Laden einer der reichsten Familien des abgeschotteten Königreichs entstammt. Regelmäßig liefern sich Sicherheitskräfte blutige Schusswechsel mit Terrorverdächtigen. Dabei berufen sich das Haus Saud und al-Qaida auf die gleiche religiöse Lehre: den Wahhabismus, eine besonders konservativ-strenge Lesart des Islam, der in Saudi-Arabien Staatsreligion ist. Er lehnt jegliche religiösen Neuerungen ab, auch harmlose Freizeitvergnügen.

Die Al-Qaida-Extremisten werfen den mehreren tausend Saud-Prinzen indes vor, die reine Lehre zu missachten und einen korrupten und ausschweifenden Lebenswandel zu führen. Sie stören sich insbesondere daran, dass in Saudi-Arabien nichtmuslimische, vor allem also US-Soldaten stationiert sind. Für viele Muslime ist das ein Sakrileg, da Saudi-Arabien mit Mekka und Medina das Geburtsland des Islam ist.

Der Terror von al-Chobar hatte erklärtermaßen das Ziel, Ausländer abzuschrecken. In einem im Internet verbreiteten Bekennerschreiben hieß es: „Wir werden die arabische Halbinsel von den Ungläubigen reinigen. Wir bekräftigen unsere Entschlossenheit, die Kreuzritter zurückzuschlagen, das Land der Muslime zu befreien.“

Überlebende des Geiseldramas berichteten, dass die Täter in der Wohnanlage von al-Chobar gezielt Nichtmuslime als Opfer ausgewählt haben. „Am Samstagmorgen klopften zwei Bewaffnete an unsere Tür und fragten, ob wir Muslime oder Christen seien“, schilderte der Jordanier Hasem al-Damen den Ablauf. „Sie rieten uns, im Haus zu bleiben, weil sie nur Amerikaner und Europäer rauswerfen wollten.“ Den makabren Auftritt hätten die Täter mit einer Ermahnung zur Frömmigkeit beendet: „Sie rieten uns, uns Bärte wachsen zu lassen und traditionelle islamische Kleidung zu tragen, um als gute Muslime zu gelten.“