BVG will Kilometergeld

Fahrpreise in Bus und Bahn sollen ab 2006 von der Entfernung abhängen: Lange Wege sollen teurer, kurze billiger werden. Das sieht ein Konzept der BVG vor. Fachpolitiker äußern sich zustimmend

von STEFAN ALBERTI

Für wenig mehr als 2 Euro mit Bus und Bahn vom Wannsee bis nach Marzahn, das soll es 2006 nicht mehr geben. Deutlich teurer sollen dann Fahrten quer durch die Stadt sein, billiger hingegen kurze Strecken. Das sehen Pläne der Verkehrsbetriebe (BVG) vor: Sie wollen Preise entfernungsabhängig gestalten und über einen elektronischen Fahrschein abrechnen. Fachpolitiker querbeet reagieren positiv. Das jetzige System, in dem es außer der Kurzstrecke keine weitere Differenzierung gibt, habe ihn noch nie überzeugt, sagte etwa SPD-Verkehrsexperte Christian Gaebler. Skepsis gibt es hingegen teilweise gegenüber elektronischer Abrechnung.

BVG-Vertriebsdirektor Tom Reinhold bezeichnete das derzeitige System mit diversen Monatskarten als „Tarifdschungel“: „Wir müssen aufpassen, dass uns die Kunden nicht weglaufen, weil sie die Preise nicht verstehen.“ Die entfernungsabhängige Berechnung soll Transparenz schaffen. Der Preis soll nicht vom Verkehrsmittel – Bus, Tram, U- oder S-Bahn – abhängen. Am Montag hatte die BVG ihr Tarifkonzept – Motto: „Leistungsorientiert und für den Kunden leicht nachvollziehbar“ – Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) vorgestellt. Der nannte das System „überhaupt nicht kompliziert“.

Der Senat hatte auf ein neues Konzept gedrängt und der bevorstehenden Fahrpreiserhöhung zum 1. August – innerhalb des jetzigen Systems – nur unter der Bedingung zugestimmt, dass vorher strategische Überlegungen vorliegen. Zum 1. 9. steigen die Fahrpreise im Schnitt um 3 Prozent. Der Einzelfahrschein etwa kostet dann 2,20 Euro statt 2,10.

Laut BVG-Mann Reinhold liegen die BVG-Tarife derzeit 14 Prozent unter dem Bundesschnitt und sogar weit über 50 Prozent unter den Preisen in München oder Frankfurt am Main. Dieser Vergleich berücksichtige bereits die unterschiedliche Kaufkraft. Reinhold mochte auch nicht annähernd sagen, mit welchen konkreten Preisen BVG-Kunden ab 2006 rechnen müssen.

Strittig ist unter Politikern der vorgesehene elektronische Fahrschein. Der sieht vor, dass Fahrgäste eine Chipkarte wie eine Geldkarte aufladen können und der Betrag für die jeweilige Strecke abgebucht wird. Die BVG will dabei laut Reinhold keine Schranken und Barrieren einbauen, weil die Kunden das nicht akzeptieren würden. Fahrgäste sollen in eigener Verantwortung mit ihrer Karte „ein- und auschecken“. Kontrolleure sollen weiter unterwegs sein, dann mit speziellen Lesegeräten für die Karten. Ein entfernungsabhängiges System ohne elektronischen Fahrschein umzusetzen, der auch Transportströme erfassen soll, hält Reinhold für schwierig. Das sieht auch SPD-Mann Gaebler so.

Für Jutta Matuschek vom Koalitionspartner PDS hingegen ist eine solche Kopplung alles andere als zwingend: Vom elektronischen System halte ihre Fraktion derzeit überhaupt nichts, sagte sie und verwies auf angebliche Investitionskosten jenseits von 50 Millionen Euro. Grünen-Politikerin Hämmerling lehnte die Chip-Fahrkarte aus grundsätzlichen Erwägungen ab: „Ich habe etwas gegen die elektronische Erfassung von Lebensgewohnheiten.“ CDU-Verkehrsexperte Alexander Kaczmarek hingegen sieht eine alte Forderung erfüllt: Den elektronischen Fahrschein habe er schon im Abgeordnetenhaus beantragt – im Jahr 1996.