Unis starten Exportoffensive

Kairo, Singapur, Bangkok, Pretoria heißen Standorte deutscher Hochschulen, die auf dem Bildungsweltmarkt antreten. Die akademischen Satelliten sollen profitable Studenten akquirieren – und die besten ins deutsche Promotionsstübchen holen

von KARL-HEINZ HEINEMANN

Am 4. Oktober wird sich Bundeskanzler Gerhard Schröder mal wieder in eine deutsche Universität trauen. Und, so viel ist sicher, niemand wird ihn ausbuhen, es wird keine Tomate fliegen. Dafür muss Schröder selbst fliegen – nach Kairo, denn dort wird er dann zusammen mit dem ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak die GUC eröffnen, die „German University of Cairo“.

Puristen mögen sich daran reiben, dass ine deutsche Uni nicht mehr deutsch geschrieben wird, dass Seminarsprache Englisch ist und am Ende nicht Dipl.-Ing.s oder Doctores herauskommen, sondern Bachelors, Masters und Ph.D.s. Etwa 1.000 Studierende werden dann auf den Start dieses Flaggschiffs deutschen Bildungsexports warten, handverlesen, so hofft man. Denn es wird nicht so einfach sein, so viele Bewerber für ein Studium im Mittleren Osten zu bekommen, das im günstigsten Fall 15.000 ägyptische Pfund im Semester kostet, also rund 2.000 Euro.

15.000 ägyptische Pfund Studiengebühren

Ashrav Mansour, der „Chairman“ des „Board of Trustees“, will in fünf Jahren sogar 5.000 Studierende beisammen haben, die „information engineering“, „Pharmacy“, „management technology“ oder einen anderen der sieben Studiengänge belegen. Deutschen Vorlesungen könnten bestenfalls die 70 Abiturienten der deutschen Schule in Ägypten folgen. Damit kann man keine Marktposition erobern. Genau das aber ist das Ziel des Programms „Studienangebote deutscher Hochschulen im Ausland“.

Die Studiengänge haben die Universitäten Ulm und Stuttgart erarbeitet. Die Hälfte des Lehrpersonals wird ebenfalls aus Deutschland kommen. Die „GUC“ ist eines von 29 deutschen Studienangeboten, die mit 10 Millionen Euro Anschubfinanzierung aus den UMTS-Milliarden auch den Deutschen einen Platz auf dem Bildungs-Weltmarkt sichern sollen.

Auf einer Tagung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, DAAD, wurden neben der GUC Ausgründungen der RWTH Aachen in Bangkok, der TU München in Singapur und der Fachhochschule Kiel in Pretoria vorgestellt. Während in Kairo das gesamte Kapital aus Ägypten selbst kommt, halten in Bangkok und Singapur, wie bei den anderen internationalen Projekten auch, die deutschen Unis eigene Kapitalanteile.

In den nächsten 20 Jahren wird sich die Nachfrage nach ausländischen Studienangeboten vervierfachen, mutmaßt DAAD-Generalsekretär Christian Bode. Deshalb sei es höchste Zeit, mit deutschen Angeboten den marktbeherrschenden Australiern, Briten und Amerikanern Paroli zu bieten. Vor allem der asiatische Markt erlebe ein „Riesenwachstum“, den werde man im Auge behalten, so Bode.

Der mittlerweile pensionierte Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Uwe Thomas, pflichtet ihm bei. Künftig werde der Markt des E-Learning über das Internet eine größere Rolle spielen. Aber wenn man nicht sofort für physische Präsenz auf den Studienmärkten sorge, werde man auch bei der virtuellen Belieferung mit „Contents“, wie Bildungsinhalte heute heißen, nicht mithalten können.

Es gibt eine Bedingung für den Bildungsexport mit Hilfe von UMTS-Geldern: Es muss sich um unternehmerische Gründungen handeln. Sprich: Sie sollen privatwirtschaftlich organisiert sein, über kurz oder lang selbst tragen, wenn nicht sogar Gewinn abwerfen. Schließlich machen es die US-Hochschulen vor, die schon zwei Drittel ihrer Kurse im Internet verkaufen.

Einen MBA, also Master of Business Administration, kann man besser an amerikanischen Unis bekommen. Die produzieren ihn weltweit mit wenig Aufwand. Die Deutschen kommen mal wieder zu spät und müssen sich Marktlücken suchen. Sie konzentrieren sich auf Natur- und Ingenieurwissenschaften. Daran sind auch deutsche Firmen interessiert. DaimlerChrysler, AEG, Siemens, aber auch „kleinere“ wie die Freudenberg GmbH lassen ihren Ingenieur-Nachwuchs mit Hilfe deutscher Unis gern vor Ort ausbilden.

Die besten Studenten nach Hause holen

Jovial erzählt Stifterverbands-Präsident Arend Oetker, dass er ja auch in Ankara und Kairo Fabriken habe, für die er kluge Köpfe brauche. Die besten Auslandsstudenten kann man an die „Mutterhochschulen“ in Deutschland holen, meint Christian Thimme, Projektleiter des DAAD. Auch die Deutschen wollen ihren „Brain-Gain“, also den Gewinn vom „Brain-Drain“ aus der „Dritten Welt“ abschöpfen. Ende des Jahres ist es vorbei mit der warmen UMTS-Dusche, warnt Thomas. Alle Augen richten sich auf Arend Oetker. Doch der genießt – und schweigt vom Gelde.

Ulrich Grothus, der stellvertretende Generalsekretär des DAAD, sieht in den Exportinteressen keinen Grund, die „protektionistische Haltung“ der Regierung in Sachen Freigabe des Welthandels mit Bildungsdienstleistungen (Gats) in Frage zu stellen. Man kann frohen Herzens exportieren – ohne sich selbst zur Öffnung des Bildungsmarktes zu verpflichten. Bildungsexporteure wie die USA halten ihren eigenen Markt ebenfalls geschlossen. „Wir sind in unserer Arbeit noch nie auf ein Problem gestoßen, das wir mit Gats besser gelöst hätten“, meint Grothus. Viel besser gehe das in bilateralen Verhandlungen. Zum Beispiel gab es Probleme, den Test DaF, mit dessen Hilfe die Deutschkenntnisse von Studienbewerbern erhoben werden, in China einzuführen – die habe man bereinigen können. Doch dabei sei klar geworden: gegenüber dem Fast-Monopolisten für Tests, dem US-amerikanischen ETS, dem „Educational Testing Service“ hat man auf dem Markt keine Chance. „Da müssen wir erst einmal in die Socken kommen“. Also besser erst mal protektionistisch bleiben.

Im Ausland dürfen deutsche Hochschulen Dinge ausprobieren, bei denen deutsche Liberalisierer leuchtende Augen bekommen. Zum Beispiel Studiengebühren nehmen, die Studierenden selbst auswählen, die Uni als GmbH mit Gewinnabsichten betreiben. Und sie können sich „off-shore“ ganz eng mit deutschen Unternehmen abstimmen, zu deren Nutz und Frommen sie Ingenieure und Wirtschaftsfachleute ausbilden.

„Wir hoffen darauf, dass das Rückwirkungen auf die deutschen Hochschulen haben wird“, sagt ein Beteiligter. Seinen Namen will er nicht zitiert sehen.