Mr. Siebeneinhalb Cent steht vor Gericht

Korruptionsprozess: Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat den Berater des Präsidenten von Kasachstan verklagt, weil er Schmiergeldzahlungen von US-Ölmultis auf Geheimkonten des Regierungschefs und seiner Freunde umgeleitet haben soll

AUS NEW YORK HEIKE WIPPERFÜRTH

Morgen beginnt in New York erneut ein Wirtschaftsprozess mit allen Zutaten, die ein öffentliches Interesse garantieren: Schmiergeld, Erdöl, ein korrupter osteuropäischer Präsident samt Familienclan und viel Geld. Angeklagt ist zunächst James Giffen, der engste Berater des Präsidenten von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew. Giffen gilt als zentrale Gestalt eines weit verzweigten Korruptionsnetzes. 78 Millionen Dollar soll er bei der Vergabe von kasachischen Ölförderlizenzen an US-Ölmultis abgezweigt und sie dann auf geheime Konten von Nasarbajew und dessen Freunden eingezahlt haben. Für die Staatsanwaltschaft ist dies der schwerwiegendste Verstoß gegen die Antikorruptionsgesetze der USA, den es je gab. Sollte der 63-jährige Giffen den Prozess verlieren, muss er mit fünfjähriger Haft und Geldbuße in Millionenhöhe rechnen.

Die Amerikaner nennen die Affäre bereits „Kasachgate“. Die Hauptrolle spielt nach Angaben des Staatsanwalts eine kleine New Yorker Investment Bank namens Mercator. Giffen soll sie aufgebaut haben, um beim Verkauf der riesigen Ölfelder als Vermittler auftreten zu können. In Kasachstan liegen die größten Erdölreserven außerhalb des Persisch-Arabischen Golfs. In zehn Jahren hofft das Land, zu den fünf größten Erdölexporteuren der Welt zu gehören. Mercator soll beispielsweise eine Vermittlungsgebühr in Höhe von 41 Millionen Dollar kassiert haben, als sich der Ölkonzern Mobil, der heute zu Exxon Mobil gehört, vor acht Jahren einen 25-prozentigen Anteil des Ölfeldes Tengis für eine Milliarde Dollar schnappte. Laut Staatsanwaltschaft verschwanden 21 Millionen Dollar davon umgehend durch ein System von Treuhandkonten und Briefkastenfirmen – um auf den Geheimkonten wieder aufzutauchen.

Giffen behauptet, der Klage fehle jede Grundlage, er habe im Auftrag des US Geheimdienstes CIA gehandelt. Nun verlangt er Einsicht in die CIA-Dokumente. Ohnehin müsse die Klage fallen gelassen werden, da US-Gerichte keine Aufsichtspflicht über Kasachstan hätten.

Solche Aussagen sichern dem Finanzier in Washington und Kasachstan Aufmerksamkeit. Um die Stimmung in die richtige Richtung zu beeinflussen, hat er zusätzlich eine Public-Relations-Firma mit Einfluss in Washington angeheuert. Dabei kann er sich der Unterstützung Nasarbajews sicher sein. Der Präsident tut alles, um den Skandal so niedrig wie möglich zu hängen – und vor allem seine eigene Verstrickung darin zu vertuschen.

Ob das funktioniert ist fraglich. Bryan Williams, ehemaliger Star-Manager bei Mobil, der zur gleichen Zeit wie Giffen verklagt wurde, sitzt bereits hinter Gittern. Er hatte sieben Millionen Dollar nicht versteuert, zwei Millionen davon soll er für seine Mithilfe beim Kauf des Ölfelds Tengis erhalten haben.

Giffens Karriere verlief strikt geradeaus und bergauf: Schon als Jurastudent in Kalifornien war er ein Russlandfan. Nach elf Jahren bei der Armco Steel Corporation, die Stahl und Ölgeräte nach Russland einführen wollte, eröffnete er die Investmentbank Mercator. Er freundete sich mit Funktionären an, verschenkte Luxusuhren und teuren Scotch. Als Nasarbajew 1991 zum kasachischen Präsidenten gewählt wurde, wurde er sein Berater und zog die lukrativsten Projekte an Land.

Seit ein Konsortium unter Führung des US-Multis Chevron einen Teil des Tengis-Ölfelds übernahm, hat Giffen ein Vermögen verdient: Er bekommt eine Nutzungsgebühr von 7,5 Cent für jedes Chevron-Fass mit Tengis-Öl. Seitdem trägt er den Spitznamen „Seven and a half Cents“.