Stasi-Jäger heben den letzten Schatz

Die Birthler-Behörde beginnt mit der Auswertung der so genannten Rosenholz-Daten. Sie will in einem halben Jahr erste Ergebnisse vorlegen. Mitarbeiter der Behörde sollen erneut auf Tätigkeit für den DDR-Geheimdienst überprüft werden

aus Berlin MATTHIAS BRAUN

Für die Auslandsaufklärung der DDR-Staatssicherheit (HVA) haben in der alten Bundesrepublik an die 6.000 Menschen spioniert. Davon geht die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, aus. In der DDR habe der Auslandsgeheimdienst ungefähr 10.000 Zuträger beschäftigt, sagte Birthler gestern in Berlin. In einem halben Jahr wird ihre Behörde über einzelne Fälle genauere Auskunft geben können als bislang.

Dann wird der vermutlich letzte Schatz ihrer Behörde gehoben sein. Von der jetzt beginnenden Auswertung der so genannten Rosenholz-Daten erwartet Birthler Aufschluss darüber, wie die Hauptverwaltung Aufklärung gearbeitet hat. Mit spektakulären Entdeckungen rechnet die Behördenchefin und ehemalige Bürgerrechtlerin indes nicht. „Unser Augenmerk ist nicht einseitig auf Enthüllungen gerichtet“, sagte sie. Zum einen seien die Rosenholz-Dateien schon Anfang der Neunzigerjahre von deutschen Behörden auf Straftäter hin durchforstet worden. Zum anderen seien bis auf schweren Landesverrat und Menschenrechtsverletzungen alle strafrechtlich relevanten Vergehen bereits verjährt.

Lange hatte die Birthler-Behörde auf Rosenholz warten müssen. Seit Ende Juni nun kann sie die Daten für ihre Arbeit nutzen. Auf 381 vom amerikanischen Geheimdienst CIA gebrannten CD-Roms befinden sich die Fotografien von 290.000 Karteikarten. Auf diesen sind die Klarnamen einzelner Agenten notiert und eine Registriernummer. Mit letzterer lässt sich in der Sira-Datenbank recherchieren, wie engagiert und wie lange ein Agent für die Stasi tätig war. Mit Rosenholz kann den Taten ein Täter zugeordnet werden.

Um die 50 Archivare werden sich in den nächsten Monaten damit befassen, die Rosenholz-Daten aufzuarbeiten. Schwierigkeiten bereitet ihnen die schlechte Qualität der abfotografierten Karteikarten. Die Originale befinden sich weiterhin in den Tresoren des amerikanischen Dienstes CIA. Wahrscheinlich hatten in den Wendewirren ehemalige Mitarbeiter der Staatssicherheit den Datentansfer von Ostberlin über Moskau nach Langley organisiert. Nach langen Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung erhielt die Birthlerbehörde nun all jene Daten in Kopie, die das Gebiet der heutigen Bundesrepublik betreffen.

Marianne Birthler wollte gestern keine Empfehlung abgeben, ob Angestellte im öffentlichen Dienst einer erneuten Überprüfung auf frühere Stasi-Tätigkeit unterzogen werden sollten. Immerhin will sie die hauseigenen Archivare und Wissenschaftler durchchecken lassen, wenn diese die Rosenholz-Dateien einmal aufgearbeitet haben. „Ich halte das für sinnvoll“, sagte Birthler. Sie fügte hinzu, dass bei Auskünften ihrer Behörde in Zukunft die Rosenholz-Daten auf jeden Fall herangezogen würden. Deshalb lohne es sich für interessierte Privatleute, deren Anträge schon eine Weile zurücklägen, eine neue Recherche in Auftrag zu geben.