Hochschulreif ganz ohne Abitur

In NRW gibt es mehrere Möglichkeiten, ein Studium auch ohne Abitur aufzunehmen. Selbst eine universitäre Eignungsprüfung ist nicht immer notwendig. In keinem anderen Bundesland existiert ein solch breites Angebot

VON SALVIO INCORVAIA

Für ein Studium muss man nicht immer ein Abitur in der Tasche haben. In Nordrhein-Westfalen gibt es gleich mehrere Möglichkeiten, ein Studium aufzunehmen, ohne den traditionellen Ausbildungsweg eingeschlagen zu haben. Jenseits des ersten und zweiten Bildungswegs tun sich für Interessierte insgesamt vier Pfade auf, um an eine Hochschule zu gelangen.

„Es gibt zwar immer mehr Nachfragen bei uns, aber viele Menschen schlagen diesen alternativen Bildungsweg nicht ein, um die allgemeine Hochschulreife zu erlangen“, sagt Klaus-Uwe Kuchler, Leitender Regierungsschuldirektor des Regierungsbezirkes Düsseldorf. Dabei hat die ‚Prüfung für den Hochschulzugang besonders befähigter Berufstätiger‘ einige Erleichterungen gegenüber dem klassischen Abitur. Berufserfahrene Erwachsene mit besonderer Befähigung und Vorbildung könnten die ganz ohne Schulbankdrücken nach längerer Berufstätigkeit ablegen und so die allgemeine Hochschulreife erwerben.

Die Zulassungsvoraussetzungen dafür sind nicht hoch: Der Kandidat muss seinen Hauptwohnsitz in Nordrhein-Westfalen, das 25. Lebensjahr vollendet und eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Zum Zeitpunkt der Abschlussprüfung für die Hochschulprüfung muss der Kandidat zudem auf eine siebenjährige Berufstätigkeit zurückblicken.

Die Prüfung beinhaltet dann fünf Fächer: Der Kandidat muss ein wissenschaftliches Fachgebiet benennen und Prüfungen in Deutsch, Mathematik, einer Fremdsprache, einem naturwissenschaftlichen oder gesellschaftswissenschaftlichen Fach ablegen. Die Anforderungen orientieren sich an der gymnasialen Oberstufe.

Die Prüfungen werden von den Staatlichen Prüfungsämtern an folgenden Orten durchgeführt: In Dortmund und Bochum für Bewerber aus den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold und Münster. Bewerber aus den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln müssen nach Essen oder Düsseldorf ausweichen. Die dortigen Prüfungsämter informieren über die Zulassungsvoraussetzungen, die Prüfungsregelungen und genauen Anforderungen.

Doch es gibt auch Wege ganz ohne Eingangsprüfungen an die Hochschule zu gelangen: „Mit dem Meisterbrief kann inzwischen auch eine Zugangsberechtigung für die Hochschule erwirkt werden“, sagt Karin Otto vom Regierungsbezirk Detmold. Diese Berechtigung sei zwar keine allgemeine Hochschulreife – doch trotzdem könne in bestimmten technischen und naturwissenschaftlichen Fächern ein Diplomstudiengang aufgenommen werden.

Daneben findet sich in NRW auch noch die Möglichkeit ohne Abitur und zentrale Zulassungsprüfung entsprechend des eigenen Berufes ein Fachhochschulstudium aufzunehmen. Von dieser Regelung profitieren Absolventen von zweijährigen Fachschulen wie auch Pflegekräfte, die eine Weiterbildungsbezeichnung als Alten- und Krankenpfleger führen. Auch Fachkaufleute und Fachwirte dürfen ohne Prüfung ein Fachstudium an einer Fachhochschule aufnehmen.

Fachschulabsolventen anderer Fachrichtungen können die allgemeine Fachhochschulreife mit freier Fachwahl durch eine verkürzte Externenprüfung erwerben. Während des Schulbesuches werden Interessierten durch spezielle Ergänzungskurse in Deutsch, Englisch und Mathematik auf die Externenprüfung vorbereitet. Die Teilnehmer sollten die Fachoberschulreife besitzen – oder einen vergleichbaren Kenntnisstand. Die fachspezifischen Teile der externen Fachhochschulreife werden den Absolventen der zweijährigen Fachschule erlassen. Nähere Auskünfte erteilen die jeweiligen Studienberatungsstellen der Fachhochschulen.

Zudem besteht im Land auch die Möglichkeit ein Studium ganz ohne einen Schulabschluss aufzunehmen. Voraussetzung dafür ist aber das Bestehen einer Einstufungsprüfung der jeweiligen Hochschulen. Doch auch hier gibt es einige Grundvoraussetzungen: So müssen Bewerber mindestens 24 Jahre sein und eine Ausbildung vorweisen können. Die berufliche Tätigkeit muss mindestens fünf Jahre ausgeübt worden sein. Bewerber müssen sich direkt an die jeweilige Hochschule wenden.

Doch die vielen Einstiegshilfen ins Studium sind bislang noch recht unbekannt geblieben. So lobt auch Gernot Oelmann, Leitender Regierungsschuldirektor des Regierungsbezirkes Detmold „das einmalig breite Netz an Möglichkeiten in die Hochschulen zu kommen“. Doch leider seien sich viele Leute dessen noch gar nicht bewusst. Hier müsse noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.