Geld verdienen rangiert vor Klimaschutz

Kölns Baudezernent Bernd Streitberger und DGB-Chef Wolfgang Uellenberg-van Dawen diskutieren im Domforum mit Umweltexperten über das Thema Billigfliegen und Klimaschutz. Airport-Anwohnern ist der Lärmschutz wichtiger

Köln taz ■ Vom wirtschaftlichen Aufschwung am Standort Köln-Bonner Flughafen sprechen die einen, vom Klimaschock die anderen. Und Dritte reden darüber hinaus noch von der Lärmbelästigung. Beim Thema Billigfliegen ist der Streitfaktor groß. Am Dienstag Abend diskutierten im Domforum Vertreter von Stadt, Flughafen und DGB mit Umweltexperten und Betroffenen die Frage: „Billigfliegen auch mit Klimaschutz?“

„Einen Westernfilm zu drehen ist heute schwierig, denn vor 200 Jahren gab es noch keine Kondensstreifen am Himmel“, leitete Hartmut Graßl als Chef des Max-Planck-Institutes für Meteorologie und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates Globale Umweltveränderungen die Diskussionsrunde ein.

„Wir müssen uns über die Risiken des Fliegens mehr bewusst werden“, erklärte Graßl einer teils mehr, teils weniger interessierten Zuhörerschaft. Denn Vertreter von Stadt und DGB hatten es nach seinem leidenschaftlichen Plädoyer für den Klimaschutz schwer, die wirtschaftlichen Erfolge am Köln-Bonner Flughafen in den Vordergrund zu stellen. Dennoch machten sie unmissverständlich klar, dass im Falle Flughafen Ökonomie vor Ökologie rangiert. „Die Stadt Köln braucht diesen Aufschwung“, sagte Kölns Stadtentwicklungsdezernent Bernd Streitberger.

Die Low-Cost-Airlines strömten im vergangenen Jahr förmlich zum inzwischen größten Drehkreuz für Billigflüge in Deutschland und mit ihnen kamen 2003 rund 2,5 Millionen neue Fluggäste am Köln-Bonner Airport hinzu.

„Es gibt eine Verantwortung für den Umweltschutz, aber es gibt auch eine Verantwortung für Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung“, meinte Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Vorsitzender des DGB Köln, zu dieser Entwicklung.

Der Flughafen brummt. Durch das Ansiedeln von Billigfluglinien wie Germanwings und Hapag Lloyd Express können sich die Anteilseigner – Bund, Land NRW und Stadt Köln – inzwischen nicht mehr über zu wenig Zuwachs am Airport beschweren. Jetzt hat auch noch die britische Fluggesellschaft easyJet ihr Interesse bekundet, ab Juli den Flughafen Köln/Bonn anzusteuern.

„Wo wir Geld verdienen können, werden wir auch Geld verdienen“, so erklärte Bernd Streitberger das Verhältnis von Wirtschaft und Klimaschutz dem Publikum. „Trotzdem muss man nicht unbedingt von Köln nach Hamburg fliegen, wenn auch umweltverträglichere Möglichkeiten existieren“, räumte er ein. „Doch das machen dank der Billigflüge nicht gerade wenige“, so Uwe Becker, Leiter des Sozialwerkes des Evangelischen Stadtkirchenverbands. „Inzwischen hat sich eine richtige Kultur der Billigflieger entwickelt, die ‚just for fun‘ mal eben von Köln nach Paris ‚jetten‘, um dort ‚shoppen‘ zu gehen. Und das ist ökologisch fatal“, erzählte Becker der Runde. „Heute fährt doch keiner mehr mit dem Zug, wenn es auch schneller und vor allem billiger geht“, sagte er weiter und fügte hinzu: „Ich wünsche mir mehr Chancengleichheit für das europäische Verkehrssystem.“

Darin stimmte auch Hartmut Graßl mit Uwe Becker überein. „Das eigentliche Problem ist die Nicht-Besteuerung von Kerosin. Das ist der Dreh- und Angelpunkt in diesem System, nicht allein die Billigflüge“, erklärte der Klima-Experte.

Auch wenn der Klimaschutz an diesem Abend Schwerpunkthema war, hatte das Publikum scheinbar etwas ganz anderes erwartet. So nutzten die Zuhörer in der anschließenden Diskussion die Anwesenheit von Martin Partsch, Leiter der Lärm- und Schadstoffmessstelle am Flughafen, um das zu thematisieren, was die Flughafen-Anwohner unmittelbar betrifft: den Lärmschutz.

Viele beklagten eine unzureichende Auseinandersetzung mit diesem Thema. Nach zweistündiger Expertendiskussion hatten die Anwesenden jedoch nur noch wenig Möglichkeit, zu Wort zu kommen. Viele Fragen mussten offen bleiben. Aber auch die Expertenrunde verließ sichtlich unzufrieden das Podium. Stefanie Liebl