Endstation Türsteher

Für einen Kurzfilm spielen sich fünf jugendliche Migranten selbst. Dabei geht es ausdrücklich nicht um die Hintergründe ihrer Flucht aus Afrika, sondern um ihren Alltag und ihre Freizeit in Berlin. Der Film läuft noch bis zum Freitag im Rahmen der Ausstellung „denk!mal“ im Berliner Abgeordnetenhaus

Der Kurzfilm „Dukes of Berlin“ wurde 2008 von einer vierköpfigen Crew um die Regisseurinnen Sandra Budesheim und Sabine Zimmer produziert. Finanzielle Unterstützung kam vom Landesprogramm jugendnetz-berlin und respectABel, einem Förderprogramm für Projekte zum Thema Toleranz, Demokratie und Rechtsextremismus.

Von 20. bis zum 23. Januar ist der Film auf der Ausstellung des Jugendforums „denk!mal“ zu sehen. Bereits zum siebten Mal ruft das Abgeordnetenhaus mit „denk!mal“ Jugendliche bis 21 Jahre auf, Projekte gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus einzureichen. Anlass ist der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar. Neben „Dukes of Berlin“ können auf der Ausstellung im Casino des Abgeordnetenhauses in der Niederkirchnerstraße Gemälde, Gedichte, Lieder und Theaterstücke angeschaut werden. Die Ausstellung ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

www.denkmal-berlin.de

VON MELANIE FUCHS

Jelson, Lamin, Bussuriu, Ibrahim und Milton sind in Partylaune; sie wollen sich in einem Club in Kreuzberg amüsieren. Die Jungs kommen nicht aus Berlin, das sieht und hört man. Ihre Heimatländer sind Angola, Guinea-Bissau, Kenia und Libanon – und das ist auch der Grund, weshalb sie an diesem Abend nicht feiern dürfen. „Ausländertag ist Dienstag!“, pöbelt der Türsteher und lächelt selbstgefällig, als die Jungs wütend und niedergeschlagen den Rückweg antreten.

„Diese Szene haben wir nicht einfach erfunden, das haben wir alle schon oft mitgemacht“, erklärt Milton Paixao. Der 18-jährige Angolaner erinnert sich, dass es in Clubs oft Veranstaltungen gab, bei denen Ausländer nicht erwünscht waren. „Wenn wir dann gefragt haben, warum wir draußen bleiben müssen, während alle Deutschen ohne Probleme reinkönnen, wurden die Türsteher oft aggressiv und drohten mit der Polizei.“

Milton ist einer der fünf Jugendlichen, die zusammen mit der Filmarche e. V. und der Crossend Filmproduktion den knapp 16-minütigen Streifen „Dukes of Berlin“ gedreht haben. Die Regisseurinnen Sandra Budesheim und Sabine Zimmer lernte er vor knapp einem Jahr kennen. Die beiden Frauen suchten nach Interessierten für einen Filmworkshop. „Wir wollten schon lange mal mit Jugendlichen arbeiten und dachten, dass sie sich bestimmt am meisten für die Macherseite – also für Kamera oder Regie – interessieren würden“, sagt Sandra Budesheim. Doch die fünf, die sich meldeten, wollten lieber schauspielern – trotz der Sprachprobleme, die vor allem der damals erst 15-jährige Bussuriu Diallo hatte. Er war nur drei Monate vor dem Projekt von Guinea-Bissau nach Berlin gekommen.

Als Milton in der deutschen Hauptstadt ankam, war er gerade mal zwölf Jahre alt. „Ich stand alleine am Flughafen und fand alles sehr seltsam: Denn es war Dezember, es schneite, es war kalt, und ich kannte niemanden.“ Irgendwie kam er zur Polizei, die vermittelte ihn an ein Heim. Mit 16 Jahren zog er schließlich in eine von Evin e. V. betreute Wohngemeinschaft. Der Verein betreut mehrere Jugendhilfeprojekte, teilweise speziell für Flüchtlinge. Heute lebt Milton in einer eigenen Wohnung und macht eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker.

Warum er seine Heimat verlassen hat? Darüber will er nicht sprechen „Ich konnte halt nicht bleiben, private Gründe“ sagt er und winkt ab. Die Fragerei nerve ihn, erklärt er weiter; sechs Jahre sei er jetzt in Berlin und die Stadt sei seine zweite Heimat geworden, aber alle interessierten sich am meisten für seine Flüchtlingsgeschichte. „Hätte der Film dieses Thema behandelt, hätte ich nicht mitgemacht.“

Die anderen Jungs sahen das genauso. Sie alle sind minderjährig und völlig allein aus ihrer Heimat nach Berlin geflohen, doch sie wollen nicht immer auf der Vergangenheit herumreiten, sondern vom Hier und Jetzt erzählen. Die Regisseurinnen entscheiden sich deshalb, zusammen mit den Jungs eine Art Gegenwartsporträt mit Happy End zu drehen. Die fünf Hauptdarsteller spielen sich dabei selbst. „Wir müssen zusammenhalten, dann schaffen wir es“, so könnte das Motto des Films lauten.

Dabei ist es gerade das Auftreten als Gruppe, das die Jugendlichen im Alltag oft in Schwierigkeiten bringt. „Viele Leute fühlen sich bedroht oder provoziert, wenn wir zusammen irgendwo hinkommen“, berichtet Milton. Auch der Film erzählt von dieser Problematik: Als Milton, Jelson, Lamin und Bussuriu abends vor einem Kiosk haltmachen, um Limo zu kaufen, steht neben ihnen ein junger Mann an einem Bankautomaten. Obwohl ihn die Jugendlichen gar nicht beachten, ist er nervös und schaut immer wieder ängstlich zu der Gruppe herüber. Als Bussuriu dann eine Plastikpistole zieht, gerät die Situation außer Kontrolle: Der Mann lässt sein Geld fallen und rennt weg. Die Stimmung der Jungs ist nun auf dem Tiefpunkt. Sie haben Angst, in Schwierigkeiten zu geraten, vor allem weil Lamin das Geld aufgehoben und mitgenommen hat.

Den Wendepunkt der Geschichte markiert ein Tanz-Casting. Die Jungs gewinnen zwar nicht, bekommen aber die Chance auf ein Talentstipendium. Dieser Teil der Geschichte basiert allerdings nicht auf eigenen Erlebnissen, im Gegenteil: Milton findet Castings eigentlich lächerlich, obwohl Tanzen durchaus eine seiner Leidenschaften ist. Seit mehr als einem Jahr ist er Mitglied im Ensemble der Lis:sanga Dance Company, die sich aus Berliner Schülern und jugendlichen Asylbewerbern zusammensetzt.

Für den Film haben sich die Jungs nicht nur ihren Gruppennamen „Dukes of Berlin“ ausgedacht, sondern auch einzelne Künstlernamen. Milton nennt sich „Chinotte“. So hieß ein Verwandter in Angola, dem er nahestand. Irgendwann, sagt er, will er zurück zu seiner Familie nach Angola. Berlin kann eben doch nur zweite Heimat sein.