Es grünt unter den Talaren

Die ersten Absolventen der privaten International University Bremen erhielten gestern ihre Bachelor-Urkunden. Auf einem Ex-Kasernengelände im unwirtlichen Norden von Bremen wächst seit drei Jahren eine interkulturelle Campus-Gemeinschaft heran

aus Bremen Markus Jox

Trist geht‘s zu an den staatlichen Universitäten hierzuland. Ihren Tiefpunkt erreicht die Verkommenheit des Hochschulwesens gemeinhin ganz am Ende, wenn ein junger Mensch seine letzten Prüfungen abgeschlossen hat und aus der Universitätsmaschinerie ausgespuckt wird. Dann bekommt er sein Staatsexamen oder die Magisterurkunde schnöde mit der Post zugesandt, und wenn er Glück hat, gibt‘s zwischen Tür und Angel noch einen feuchten Händedruck vom Professor. An der privaten International University Bremen (IUB), die jüngst im Zuge der Bulmahnschen Eliteuni-Geisterdebatte als leuchtendes Vorbild hingestellt wurde, wäre solch ein Abschied undenkbar. Deswegen wurden die ersten Absolventen der im Herbst 2001 gestarteten Privatuni gestern in einer feierlichen Zeremonie nach US-Vorbild verabschiedet – mit Hüten, Talaren und allerlei Gepränge.

108 Studis aus 37 Ländern (davon allein 41 Studis aus Osteuropa) erhielten ihre Abschlussurkunden. Angefangen mit Mostafa Zaman Afgani aus Bangladesh bis hin zu Evans Bong-Ibu Zuzie aus Ghana holten sich die jungen Leute, im Durchschnitt gerade mal 21,9 Jahre alt, ihre Urkunden mit den Titeln „Bachelor of Art“ oder „Bachelor of Science“ ab – 93 Prozent des Jahrgangs haben bestanden. 15.000 Euro pro Jahr hätte eigentlich jeder von ihnen für das englischsprachige Studium berappen müssen, plus etwa 400 Euro monatlich für „Room and Board“. Mit einem „System aus Stipendien und Darlehen“ stellt die IUB nach eigenen Angaben sicher, dass alle zugelassenen Bewerber unabhängig von ihren Finanzen das Studium in Bremen aufnehmen können.

„The Class of 2004“ feierte sich in einer zweieinhalbstündigen, durchaus rührseligen Zeremonie. Die Absolventen und ihre Lehrer defilierten glückselig lächelnd über den Campus: es war gleichsam eine Prozession der akademischen Hohepriester von Bremen-Nord. Der Chef des IUB-Caterings betrachtete die Szenerie und sagte: „Gestern hab ich extra noch 250 Kilo Prager Schinken rübergedonnert.“

Ehrlicherweise fehlten in keiner der vielen Festreden kritische Zwischentöne über Reibereien und Konflikte, die es in den ersten IUB-Jahren offenbar nicht zu knapp gegeben hat. Die „Pioniere“, wie sich die Mitglieder des ersten Abschlussjahrgangs gerne bezeichnen, mussten mit der Verwaltung ringen, kämpften für ordentliche Wege über das anfangs schlammige Gelände – und waren bisweilen frustriert: nicht nur wegen des notorisch miesen Bremer Wetters.

Professor Gerhard Haerendel, Dekan der „School of Engineering and Science“, sprach beständig von der IUB als „Kind“, das noch wachsen müsse und viel Nahrung benötige, um einmal „ein schöner und kräftiger junger Erwachsener zu werden.“ Diese Nahrung zu finden sei noch immer ein sehr schwieriges Unterfangen (siehe Kasten).

Etwa zwei Drittel der Bachelor-Absolventen wollen weiter studieren, manche an der IUB, viele in England oder in den USA. Petar Perkovic aus Serbien gehört nicht zu ihnen. Er will jetzt ins Berufsleben einsteigen – und er hat sich in Bremen verliebt. „Ich weiß, es klingt komisch, aber Bremen gefällt mir.“ Perkovic tritt bald ein sechsmonatiges Praktikum in der Marketing-Abteilung von Kraft Foods an.

Vera Kahlenberg aus Schwerte bei Dortmund äußert sich differenziert über ihre Zeit an der IUB. „Meine Intuition sagt mir, dass die IUB unheimlich viel Potenzial hat“, sagt sie höflich. An der Uni sei in den vergangenen drei Jahren „viel, manchmal zu viel“ passiert. „Ich bin hier oft an meine eigenen Grenzen gestoßen, aber genauso oft bin ich darüber hinausgewachsen“, sagt die junge Frau selbstbewusst. Jetzt allerdings könne sie „über jedes noch so unmögliche Thema“ eine Präsentation halten, eine 15-seitige Hausarbeit in zwei Tagen schreiben – und „effizient Vertragsverhandlungen führen“.