Senatorin hängt nicht an der Nadel

Senatsjustizverwaltung will einen Modellversuch auslaufen lassen, in dem drogenabhängige Inhaftierte in Gefängnissen anonym sterile Spritzen bekommen. Lediglich im Frauenknast Lichtenberg soll der Spritzenautomat weiter hängen bleiben

von NICOLAI KWASNIEWSKI

Im Frauengefängnis Lichtenberg soll der Spritzenautomat hängen bleiben, im Männerknast Plötzensee an der Lehrter Straße dürfen die Mitarbeiter der Berliner Aids-Hilfe demnächst keine sterilen Einmalspritzen mehr verteilen. Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) will damit ein Modellprojekt beschneiden – obwohl es bisher nur positive Ergebnisse gezeitigt hat.

Zu diesem Schluss kommt die Senatorin in einem zwanzigseitigen Bericht an das Parlament, der dem Abgeordnetenhaus nach der Sommerpause vorgelegt werden soll. Laut dem Papier, das der taz vorliegt, ist die Abgabe von sterilen Spritzen zwar grundsätzlich positiv verlaufen. Die Neuinfektionen mit Hepatitis B und C sowie HIV seien aber auch in einer Kontrollgruppe zurückgegangen – die ohne die Spritzen auskommen musste.

Grundsätzlich müssten jedoch die Voraussetzungen für die Versorgung mit Spritzen stimmen und müsse die Akzeptanz auch seitens der Vollzugsbeamten gewährleistet werden, heißt es weiter. So sind die Bediensteten im Frauengefängnis Lichtenberg den Umgang mit Drogenabhängigen gewohnt. Den Gefangenen wurden vor und nach der Aufstellung des Spritzenautomaten „psychosoziale Begleitangebote“ gemacht, die „dortige Spritzenvergabe ist somit in ein Gesamtkonzept eingebaut“.

Statt solch ein Gesamtkonzept auch für das Männergefängnis Plötzensee vorzulegen, wurden drogenabhängige Gefangene aus Tegel dorthin verlegt. Denn die Justizvollzugsanstalt an der Lehrter Straße war laut Bericht vorher „ein drogenarmer Bereich, in dem demzufolge zunächst keine projektgeeigneten Gefangenen untergebracht waren“. Die Akzeptanz war niedrig – ein Grund dafür, dass Justizsenatorin Schubert die Spritzenvergabe dort einstellen will.

Der Bericht hebt die Sonderstellung des verhältnismäßig kleinen Frauengefängnisses hervor, dessen Bedienstete bereits Erfahrungen mit Drogenabhängigen haben. Ein Gesamtkonzept, wie es in Lichtenberg besteht, wird nicht gefordert.

Die Grünen fordern jetzt, zusammen mit der Berliner Aids-Hilfe, die Fortführung des Projektes und die Ausweitung auf andere Gefängnisse. Die Aids-Hilfe hat bereits 1.000 Unterschriften gegen die Beerdigung des Projekts gesammelt und will diese, passend zur Ergebnispräsentation nach der Sommerpause, der Senatorin überreichen. In Hamburg stellte der Schwarz-Schill-Senat ein ähnliches Projekt im Februar 2002 ein, Niedersachsens CDU-Regierung stellte einen siebenjährigen Versuch in diesem Jahr ein.