Der Liter 90 Halala

JEDDAH taz ■ Wir befinden uns im Jahr 2004. Die ganze Welt redet über die Benzinpreise … Die ganze Welt? Nein! Eine kleine unbeugsame Tankstelle in der saudischen Hafenstadt Dscheddah am Roten Meer leistet Widerstand. Benzinpreiserhöhung – der indische Tankwart Muhammad schüttelt völlig entgeistert den Kopf und denkt nach. Ja doch, vor neun Jahren gab es mal eine. Damals wurde der Preis von 60 auf 90 Halala erhöht. Umgerechnet 20 Cent muss der saudische Autofahrer seitdem für einen Liter hinlegen. Die Flasche Mineralwasser im Tankstellen-Shop ist mehr als doppelt so teuer. Von einer geplanten Preiserhöhung hat der Tankwart nichts gehört. Die werde staatlich festgelegt. „Das kommt irgendwann einmal überraschend, vielleicht in den nächsten zwei Jahren“, spekuliert Muhammad.

Während sich die Ölminister der Opec-Staaten derzeit in Beirut die Köpfe heiß reden, wie sie die Ölpreise nach unten bringen, herrscht bei den Autofahrern im Land des weltweit größten Ölproduzenten Gelassenheit, zumindest was die Benzinpreise angeht. Es gibt nicht einmal ein Schild an der Tankstelleneinfahrt, das den Preis anzeigt – der gehört zum Allgemeinwissen. Wenn aber die Rede auf den großen Anschlag in al-Chobar kommt, bei dem 22 Ausländer starben, werden die Menschen aufgeregt. „Die Attentäter wollen unsere wirtschaftliche Grundlage zerstören“, sagt Bandar, der Tankstellenverwalter. Er fürchtet, dass viele der westlichen Ausländer, die immerhin 10 Prozent der Arbeitskräfte in der Ölindustrie ausmachen, das Land verlassen werden. An seine Tankstelle kämen oft Ausländer. Viele Piloten und Stewardessen übernachteten in den nahegelegenen Hotels an der Küstenstraße, das britische Konsulat sei nicht weit. „In den letzten Tagen sehen die Ausländer besorgt aus, fast als hätten sie Angst vor mir“, erzählt er. „Die diesen Anschlag im Namen des Islams verübt haben, dürfen sich nicht Muslime nennen. Sie haben ihre Traditionen vergessen“, sagt Bandar erbost. KARIM EL-GAWHARY