Von der arabischen Waffe zur Weltölbehörde

Das Ölkartell hat sich in den letzten Jahren diszipliniert und berechenbarer gezeigt. Damit hat die Opec wieder an Bedeutung gewonnen

BERLIN taz ■ Die Welt hat sich gedreht. Knapp elf Monate ist es her, dass die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) ihre Mitglieder zu einem Krisentreffen lud. Einziger relevanter Tagesordnungspunkt: Geht es weiter mit der Opec, oder steht das Ölkartell vor der Zerschlagung? Anlass war das überraschend schnell erklärte Ende der offiziellen Kampfhandlungen im Irak. Die USA reklamierten den Sieg für sich – und damit auch die Umsetzung ihrer Pläne für die irakische Ölindustrie: rasche Wiederaufnahme der Förderung und Ausbau der Kapazitäten. Die anderen Opec-Mitglieder befürchteten, dass das Land mit den zweitgrößten erschließbaren Ölreserven der Welt dabei seine Förderquote ignorieren, die Preise kaputtmachen – und damit das Kartell auseinander fliegen lassen könnte.

Von diesem Wunschszenario der USA ist heute nichts mehr übrig. Die Opec sieht sich von den Industriestaaten hofiert wie selten. Auch wenn eine Ausweitung der Ölförderquoten das Energieproblem kaum längerfristig lösen kann – als psychologische Hilfe für die Märkte kann sie viel Geld wert sein.

Interessant ist dabei die Entwicklung, die das Kartell erst in den letzten fünf Jahren genommen hat: Von einer Waffe der arabischen Staaten gegen die westlichen Industriestaaten mutierte es zu einer Art Weltölbehörde, deren oberstes Ziel die Ölpreisstabilisierung ist.

Dabei hätten die Opec-Mitgliedstaaten die Zeit gerne wieder in die 70er-Jahre zurückgedreht, als sie die westliche Welt noch in Angst und Schrecken versetzen konnten. Bis zum israelisch-arabischen Oktoberkrieg 1973 hatte der Ölpreis für die Weltwirtschaft keine große Rolle gespielt. Erst als das Ölembargo der arabischen Staaten ein Barrel Öl von knapp 3 auf fast 12 US-Dollar verteuerte, wurde klar, dass die westlichen Industrieländer völlig von diesem Rohstoff abhängig waren – und damit von den Opec-Ländern, die rund 55 Prozent des Weltbedarfs förderten. Es dauerte fast ein Jahrzehnt, bis sie ihre Wirtschaften unabhängiger gestaltet hatten.

In der Zwischenzeit schalteten und walteten die Opec-Staaten, wie sie wollten. Ihre willkürliche Hochpreispolitik erreichte ihren Höhepunkt 1980, als ein Barrel libysches Öl 41 Dollar kostete. Danach rutschte der Opec die Preisgestaltung aus den Händen: Rezession und stärkere Nutzung anderer Energieträger senkten die Nachfrage auf dem Weltmarkt. Der Versuch, den Preis durch Drosselung der Förderung hoch zu halten, ging daneben, weil das Kartell nicht straff genug organisiert war und sich niemand an die Quoten hielt. Der Weltmarktanteil der Opec sank auf 30 Prozent, sie verlor über Jahre die Macht.

Die Wende begann mit einem Desaster: Als das Ölkartell die Asienkrise unterschätzte und 1997, genau in die Anfänge der Rezession hinein, seine Fördermenge erhöhte, fiel der Preis auf 10 Dollar. Das längst totgesagte Kartell disziplinierte sich, hielt die Quoten weitgehend ein und formulierte einen Preiskorridor von 22 bis 28 Dollar – genug, um selbst Rendite zu erwirtschaften, aber gerade zu wenig, als dass es sich für den Großteil der Konkurrenz lohnen würde, eigene, schwerer ausbeutbare Vorkommen zu erschließen. Das machte sich bezahlt. 2001 hatte sich der Ölpreis verdreifacht und die Opec wieder einen Marktanteil von gut 40 Prozent.

Zu viel Macht, befand man in den USA und begann an einer Zerschlagungsstrategie zu arbeiten. Auch wenn das starke Auftreten Chinas auf dem Weltmarkt die Nachfrage so erhöht hat, dass sie von den Opec-Ländern kaum zu decken ist, und Spekulation immer mehr Einfluss auf den Ölpreis gewinnt, bleibt die Organisation im Rennen. Dass sie diese Position derzeit nicht auszunutzen versucht, spricht dafür, dass das neue Selbstverständnis Bestand haben könnte. Und die Opec eine Zukunft.

BEATE WILLMS