Opec lässt es tropfen

Die Ölförderquoten werden erhöht. Doch der Markt reagiert kaum. Auch die Opec kann keine Terrorangst nehmen

VON STEPHAN KOSCH

Das Kartell dreht den Ölhahn in zwei Stufen auf. Auf ihrem gestrigen Treffen in Beirut beschloss die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec), ihre Förderquote um zwei Millionen Barrel pro Tag zu erhöhen. Derzeit bringt das Kartell offiziell 23,5 Millionen Barrel täglich auf den Markt. Eine weitere Anhebung um 0,5 Millionen Barrel pro Tag ist ab August geplant. Doch schon vorher, am 21. Juli, wollen die Minister auf einem weiteren Treffen die Maßnahmen überprüfen. Damit halten die Minister die Zügel straff und dürften kaum für Entspannung auf den Ölmärkten sorgen.

Der Preis war nämlich schon in Erwartung einer höheren Förderquote am Mittwoch leicht gesunken. Nach dem Beschluss stieg er zunächst sogar wieder. Dass die Entscheidung des Kartells an diesem generellen Trend etwas ändert, ist zweifelhaft.

Noch ist zwar genug Öl auf dem Weltmarkt, um den Durst zu stillen. 2003 lag der Weltverbrauch bei 79,08 Millionen Barrel, etwas weniger als gefördert wurde (79,4 Mio.). Die Nachfrage steigt jedoch, für das laufende Jahr erwarten Experten einen Anstieg auf gut 82,5 Millionen Barrel. 2020 könnte die Welt pro Tag über 100 Millionen Barrel schlucken. Einen wichtigen Anteil daran hat China. Bereits jetzt ist das wirtschaftlich aufstrebende Land auf Platz zwei der weltweiten Ölkonsumenten. Spitzenreiter USA verbraucht noch immer dreimal so viel.

Die Förderkapazitäten sind derzeit aber annähernd ausgereizt. Deswegen rechnen unter anderem die Manager von großen Rohstofffonds mittelfristig mit einer Ölknappheit auf dem Markt, zumindest aber mit steigenden Preisen.

Dieses Szenario wird zur Zeit genährt durch die Furcht vor Anschlägen auf die Ölwirtschaft. Immer wieder wurden in den vergangenen Wochen Pipelines im Irak beschädigt. Der Anschlag auf die Bewohner des saudi-arabischen Ölzentrums al-Chobar am vergangenen Wochenende war vielleicht nur ein vorläufiger trauriger Höhepunkt. Der Ölpreis stieg in der Spitze sofort um sieben Prozent. Die Ängste sorgen zurzeit für eine „Terrorprämie“ in Höhe von 25 Prozent auf jedes Barrel Öl, vermuten Fachleute.

Beide Faktoren konnte das Treffen in Beirut nicht beeinflussen. „Die Opec will den Märkten ein starkes Signal senden, aber wir können den Angstfaktor, die Spekulationen und die geopolitischen Faktoren nicht kontrollieren“, hatte der Ölminister von Katar, Abdallah al-Attija, schon vor dem Treffen gesagt. Etwa 40 Prozent des Öls, das täglich auf den Markt kommt, liefert das Kartell zwar noch. Weil aber nur das Mitgliedsland Saudi-Arabien als einziges weltweit kurzfristig die Ölproduktion nennenswert erhöhen kann, wird die Opec in aufgeregten Zeiten wie diesen zum Zünglein an der Waage.

Doch auch Saudi-Arabiens Förderkapazitäten sind begrenzt. Fachleute schätzen, dass das Königtum sein Potenzial bereits zu 85 Prozent ausgereizt hat, die Erhöhung der Förderquote ist ein weiterer Schritt ans Limit. Und das ist der Normalzustand in der weltweiten Ölindustrie. Zwar liegt noch viel Öl in der Erde und unter den Ozeanen. Aber die Ausbeutung der Felder wird technisch immer aufwändiger und teurer.

Auch wenn der Ölpreis also wegen einer Abkühlung der chinesischen Wirtschaft in den kommenden Jahren auch mal wieder sinken dürfte – mittel- und langfristig wird Öl teurer. Das hat Auswirkungen auf die Konjunktur. Die Kosten für Energieversorgung, Heizung und Benzin steigen direkt – und sorgen damit auch für weniger Konsum bei den Verbrauchern, zumal auch viele Güter des täglichen Lebens teurer werden dürften. Auf jeden Fall steigt die Inflation, woraufhin eigentlich die Notenbanken die Zinsen erhöhen müssten. Das hemmt die Investitionslust. Der Schmierstoff der Wirtschaft würde zu ihrem Bremsklotz.

Deshalb suchen die Industrienationen nach Alternativen. Zum Beispiel Erdgas, vor allem aus Norwegen und Russland. Das allein würde Deutschland aber nicht unabhängiger vom weltweiten Ölmarkt machen. Denn noch sind Öl- und Gaspreis einem Abkommen der Produzenten zufolge miteinander verkoppelt.

Ein hoher Ölpreis macht aber auch die erneuerbaren Energiequellen wettbewerbsfähiger. Und er erhöht die Motivation zu einem effizienteren Umgang mit Energie. Dann würde das 3-Liter-Auto, das bisher ein Ladenhüter ist, vielleicht doch noch zum Verkaufsschlager.