IG Chaos: Alle Räder stehen still

Die IG Metall ist in ihrer schwesten Krise. Vorstand tagt dennoch erst im September. Machtkampf auch nach 13-stündiger Sitzung nicht beigelegt. Vorstand ohne Kandidaten für Gewerkschaftstag

FRANKFURT/MAIN taz ■ Die IG Metall demontiert sich selbst: Der Machtkampf innerhalb der zerstrittenen Gewerkschaft um die Führung wurde auch nach einer 13-stündigen Marathonsitzung nicht entschieden. Der designierte IG-Metall-Chef Jürgen Peters hat sich am Dienstag in Frankfurt erneut geweigert, auf seine Kandidatur zum Ersten Vorsitzenden zu verzichten. Dagegen warf der baden-württembergische Bezirksleiter Berthold Huber, vorgesehen als Zweiter Vorsitzender, das Handtuch. Damit bleibt eine Entscheidung bis zum ordentlichen Gewerkschaftstag im Oktober offen.

Kritik an der IG Metall kam aus den Reihen der SPD: Die Zerstrittenheit der IG Metall sei ein Trauerspiel, sagte Bundesinnenminister Otto Schily in Berlin. Er hält Peters als IG-Metall-Chef für ungeeignet. Es sei „offenkundig geworden, dass diejenigen, die jetzt in diesen Streit verbissen sind, nicht mehr als Führungsfiguren geeignet sind“. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sagte, er habe die „herzliche Hoffnung“, dass es zu einer Lösung kommen werde. „Wir sind ja auf starke, handlungsfähige Gewerkschaften angewiesen.“ Der Berliner Gewerkschaftsforscher Hans-Peter Müller sagte im taz-Interview, die IG Metall sei „momentan nicht handlungsfähig“. In diesem Zustand „schaltet sich die IG Metall als ernst zu nehmender politischer Faktor aus der Reformdebatte in Deutschland selbst aus“.

Der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel hat den Vorwurf der Führungsschwäche zurückgewiesen. „Es gab im Vorstand eine Pattsituation, daher war die Personalfrage nicht lösbar“, betonte Zwickel gestern. Der scheidende IG-Metall-Chef hatte sogar seinen Rücktritt angeboten, um Peters zum Aufgeben zu bewegen.

Auch der Vorschlag, dass der gesamte Vorstand zurücktritt und darauf ein außerordentlicher Gewerkschaftstag einberufen wird, fand keine Mehrheit. Peters lehnte in beiden Fällen ab. Zwickel sagte, es sei nicht gelungen, „die Sache in den Vordergrund zu stellen und Personen zurückzunehmen“. Peters dagegen erklärte, er lasse „nicht zu, meine Person auf diese Weise zu beschädigen“. In solch einer Situation würden sich „bestimmte Verhaltensweisen verschließen“. Die IG Metall müsse begreifen, dass es „eine Vielfalt von Strömungen gibt und beide eine gute Adresse abgeben müssen“.

Zwickel wird nun bis zur nächsten Vorstandssitzung am 1. September einen neuen Vorschlag für die Führungsspitze machen müssen. Eine Findungskommission ist nicht vorgesehen. Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Frank Teichmüller, schließt dabei eine Kandidatur für den Vorsitz seiner Gewerkschaft nicht mehr aus. „Es könnte eine Situation geben, in der ich das machen würde“, sagte Teichmüller gestern.

Trotz der derzeit heftigen Auseinandersetzung droht der mit 2,65 Millionen Mitgliedern weltweit größten Industriegewerkschaft nach Einschätzung ihres Sprechers Claus Eilrich keine Spaltung. „Es gibt unbestreitbar unterschiedliche Strömungen“, sagte Eilrich gestern. Er gehe allerdings davon aus, dass die „offenen Führungsfragen“ schnell geklärt werden. THILO KNOTT

brennpunkt SEITE 3