Der Meister, ein mobiles Goethe-Institut auf Stoffsocken-Basis
: Fu ruft Werder

Es gibt eigentlich keinen Grund, Werder-Bremen-Fan zu sein. Dauernd das Double feiern in einer Stadt, zu deren Entschuldigung immer angeführt wird, dass sie von Protestanten geprägt worden sei – na ja.

Ich muss zugeben: Eigentlich bin ich schon seit frühester Kindheit Werder-Bremen-Fan, wenngleich ich das Jahrzehnte lang nicht so recht wusste. Alles begann in der ersten Schulklasse, als unsere Lehrerinnen uns das Alphabet mit einer Stoffsocke nahe gebracht haben. An das knallorangene Handpuppen-Textil waren ein paar schwarze Bindfäden als Haarpracht angebracht, eine Murmel diente als Auge – fertig war „Fu“, ein Freund aller Kinder. Mit dem geschwungenen großen Schreibschrift-F begann unser Eintauchen in die Welt der Sprache: „Fu ruft tut“, lernten wir, was immer uns das Wesen damit sagen wollte. Es war rätselhaft wie die Pässe eines Micoud, aber doch so einprägsam wie ein Abschluss von Ailton.

Richtig spannend wurde es allerdings erst in Klasse zwei: Fu hatte zwischendurch eine ominöse „Uta“ gerufen, die wir aber nie leibhaftig zu Gesicht bekamen. Doch dann trat ein grünes wuscheliges Wesen in unser Schülerleben: „Fufa“, ein bezauberndes Exemplar des schöneren Stoffsockengeschlechts. Wir begannen langsam zu überlegen, wie die Bienen an ihren Honig kommen, und Fu vertrieb sich seine Zeit fortan nicht mehr damit, Eisenbahnwarnsignale nachzuäffen. „Fu ruft Fufa“, hieß es statt dessen. Ob die Dame in Grün endlich den Abwasch erledigen oder einfach nur den Videorekorder programmieren sollte, haben wir nie erfahren. Was immer sie tat, sie erledigte es so geräuschlos und unspektakulär wie Baumann oder Ernst in der Bremer Defensive.

Von der überragenden Spielzeit 2003/04 der Hanseaten ahnten wir in unseren Klassenzimmern der späten siebziger Jahre natürlich noch nichts. Aber dass Fu die selben Anfangsbuchstaben hatte wie der Fußball und seine Sockengefährtin Fufa fast so hieß wie der dazugehörige Weltverband, konnte kein Zufall sein. Fu ruft Fußball, nun gut. Aber warum ausgerechnet Werder Bremen? Um das zu begreifen, muss man sich erst von den Gedanken an Vögel, Bienen, Blumen und Bäume frei machen. Das hat bei uns immerhin noch über 20 Jahre gedauert. Die Erleuchtung kam erst im vorigen Sommer, unsere Hausaufgabenhefte hatten wir da längst durch die Auswärtsfahrt-Tickets zu den Korschenbroicher Kickers oder Fortuna Friedsrichsruh ersetzt. Der SV Werder posierte für sein Mannschaftsfoto, und uns wurde klar, was passiert, wenn Wesen wie Fu und Fufa sich ganz doll lieb haben: Es entstehen die Trikots von Werder Bremen: Grün, orange, und wer drin steckt, sieht aus wie ein Schulanfänger, der sich für Eisenbahnen interessiert.

Klasnic, Klose & Co. werden die Nachwuchs-Fus und Junior-Fufas fortan durch Europa tragen, Erst- und Zweitklässler gebannt das abendliche Champions-League-Schulfernsehen verfolgen. In einer Zeit, in der selbst der selige Harald Juhnke mit den Worten „... und wir haben kein Idol, wir saufen selber“ verspottet wird, ein nicht zu unterschätzender Faktor. Werder Bremen ist nicht weniger als ein mobiles Goethe-Institut auf Stoffsocken-Basis – und wer dagegen etwas einzuwenden hat, sollte entweder „tut“ rufen oder mir endlich mal erklären, wer nun eigentlich diese „Uta“ ist.