: „Toepfer war eine ambivalente Figur“
Ansgar Wimmer, Vorstandschef der Toepfer-Stiftung, verteidigt die Arbeit der Stiftung gegen den Baseler Historiker Michael Fahlbusch. Der hatte der Stiftung im taz-Interview Versäumnisse bei der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit vorgeworfen
taz: Herr Wimmer, Michael Fahlbusch sagt, die Toepfer-Stiftung solle sich in Zukunft regional ausrichten.
Ansgar Wimmer: Das Betrübliche ist, dass Herr Fahlbusch die Arbeit der Stiftung heute offensichtlich nicht kennt. Die Stiftung ist in Hamburg und Umfeld sehr aktiv, aber wir sind auch eine europäische Stiftung. Dass wir damit Europa mit irgendetwas überziehen und beglücken wollen, ist allerdings absurd. Dazu muss man nur in unseren Internet-Auftritt gucken.
Was steht denn da?
Das Ziel der Förderung der europäischen Einheit unter Wahrung der kulturellen Vielfalt. Das ist ein zeitgemäßer Anspruch, eben nicht ein Bild zu projizieren, wie Europa werden soll, sondern sich an dessen Pluralität zu erfreuen.
Fahlbusch stören gewisse Kontinuitäten. 1944 hatte Toepfer die Absicht eines europaweiten Stiftungsnetzwerks, später hielt er treu zu Nazi-Schergen. Daher seine Forderung nach einem Bruch.
Wenn Herr Fahlbusch zu den Veranstaltungen zum 75-jährigen Bestehen der Toepfer-Stiftung gekommen wäre, und ich spreche bewusst von Bestehen, nicht Jubiläum, dann hätte er das genau erleben können: dass wir uns schon seit längerem kritisch mit Toepfers Verstrickungen auseinandersetzen und uns davon klar distanzieren.
Da ist die Arbeit der Historiker-Kommission. Und sonst?
Die Preispolitik etwa. So ist Albrecht Dümling ausgezeichnet worden, der sich für die Erforschung und Rehabilitierung verfolgter jüdischer Musiker einsetzt. Oder Eckard Krause und Rainer Nicolaysen, die zur Nazi-Vergangenheit der Hamburger Uni geforscht haben. Von der Toepfer-Stiftung gefördert wurde auch Arnt Gödes kürzlich erschienene Dissertation über den unsäglichen Uni-Rektor Adolf Rein …
Den Toepfer noch in den 50er Jahren mit einem Preis bedacht hat.
Darum haben wir ja die Aufklärungsarbeit von Herrn Goede unterstützt. Wobei man aber auch nicht vergessen sollte, dass Toepfer 1950 den früheren Altonaer Stadtbaurat Gustav Oelsner auszeichnete, der aus dem Türkischen Exil zurückkam, 1951 Martin Buber, später Harold Pinter oder Judith Herzberg, eine niederländische Schriftstellerin, die die Judenverfolgung überlebte. Toepfer war sicher eine ambivalente Figur. Von den NS-Verstrickungen hat er sich zu Lebzeiten leider nie explizit distanziert. Das hat die Stiftung aber nachgeholt, spätestens mit der Arbeit der Historiker-Kommission.
Gerade der wirft Fahlbusch schwer wiegende Versäumnisse vor.
Was vor allem für Fahlbuschs eigene Forschung gilt: Zum Beispiel behauptet Fahlbusch in dem Gespräch mit Ihrer Zeitung, die Historiker-Kommission hätte unterschlagen, dass Toepfer 1942 Georg Leibbrandt, einen Vertreter Rosenbergs auf der Wannsee-Konferenz, als potenziellen Preisträger seiner Stiftung vorgeschlagen hat. Eben diese Erkenntnis Fahlbuschs stammt aber nachweisbar aus der Arbeit der Historiker-Kommission, von Jan Zimmermann.
Fahlbusch kann nur deshalb auf die Historiker-Kommission einschlagen, weil er unterschlägt, dass er sich ihrer Ergebnisse bedient?
Absurd, ja. Dasselbe mit den Vorwürfen, eine Tochterfirma der Toepfer-Gruppe habe Löschkalk nach Lodz geliefert, der wohl zur Abdeckung von Massengräbern verwendet wurde. Auch das hat die Historiker-Kommission ausdrücklich erforscht und benannt.
Der Verbindung Toepfer zum Auschwitzleugner Thies Christophersen hinterherzugehen, sagt Fahlbusch, habe die Kommission aber für unnötig befunden.
Christophersen hat in einem Eigeninterview unter anderem behauptet, Toepfer habe ihm Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, sich aber zurückgezogen nach der Publikation der „Auschwitzlüge“. Die einzige Quelle ist also ein Rechtsradikaler, eben Christophersen selbst.
Was aber doch nicht hindern sollte, der Sache nachzuforschen.
Das habe ich bei meinem Amtsantritt auch gemacht. Bis hin zu dem Schritt, dass wir den Verfassungsschutz angeschrieben haben, ob es irgendwelche Hinweise für eine Verbindung zwischen Christophersen und Toepfer gäbe. Die haben gesagt, sie hätten dazu rein gar nichts. Auch in den Korrespondenzen Toepfers taucht, so weit wir das im Archiv nachvollziehen können, der Name Christophersen nicht auf. Wir sehen keinen Grund, der Bemerkung des Holocaustleugners Glauben zu schenken.
Und lassen die Sache auf sich beruhen …
Wenn neue Indizien auftauchen sollten, gehen wir ihn nach. Das sind zurzeit aber andere. Der Chefvolkswirt der Toepfer-Gruppe, Rudolf Stöhr, war Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Agrarjournalisten. Diesem Verband gehörte auch Christophersen an. Nun ist herausgekommen, dass Stöhr ein Ausschlussverfahren gegen Christophersen angestrengt hat: wegen dessen rechtsradikalen Ansichten.
INTERVIEW: MAXIMILIAN PROBST
Fotohinweis:ANSGAR WIMMER, 41, ist Vorstandschef der Toepfer-Stiftung. Zuvor leitete er den Geschäftsbereich Kultur der Stadt Gütersloh.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen