Ein Haydn Spektakel

Weil der Komponist Günter Steinke den Wiener Altmeister einfach umgeschrieben hat, taugt Joseph Haydns fast vergessene Oper „Il mondo della luna“ in Bremen zur Satire

Auf der Bühne wird gebastelt, gebaut, geprobt, leicht schräge Musik erklingt, die man so gar nicht einordnen kann: eine kleine Sensation steht dem Theater am Bremer Leibnizplatz bevor – in mehrfacher Hinsicht.

Einerseits bereitet die Hochschule für Künste gemeinsam mit dem Regisseur Renato Grünig von der Bremer Shakespeare Company ein interdisziplinäres Großprojekt für die Öffentlichkeit vor – und es ist selten genug, dass den fast autistisch vor sich hinwuselnden Fachbereichen ein großer gemeinsamer Output gelingt. Diesmal arbeiten die Sparten Musik, bildende Kunst und Design zusammen. Andererseits ist das Sujet bemerkenswert: Aufgeführt wird nämlich „Il Mondo della Luna“ (Die Welt auf dem Mond), Joseph Haydns letzte opera buffa. Sie entstand im Jahr 1777.

Die Opern des Komponisten sind heute fast vergessen. Dabei hat er im Laufe der 29 Jahre als Kapellmeister des Fürsten Esterházy in Ungarn nicht nur 25 Opern selber komponiert, sondern auch weitere insgesamt 1034 Vorstellungen dirigiert. Man müsse, so die Kaiserin Maria Theresia, „nach Esterhaz fahren, um gute Oper zu hören“. „Il Mondo della Luna“ nach einem Textbuch von Carlo Goldoni jedoch wurde nach ihrer Uraufführung nie wieder gespielt, bis 1994 das Stuttgarter Staatstheater dem Komponisten Günter Steinke den Auftrag für die Herstellung einer spielbaren Fassung gab.

„Das war mir aber zu wenig“, so Steinke. „Ich habe zusammen mit dem Textdichter Wolfgang Deichsel ein Konzept entwickelt, das ich eher als Überschreibung der alten Vorlage bezeichnen möchte.“ In Bremen ist also jetzt nach der erfolgreichen Aufführungsserie in Stuttgart das Werk zum zweiten Mal zu hören.

Worum geht’s? Der wohlhabende Herr Bohnsack hat zwei Töchter samt Verehrern, von denen einer Hobbyastronom ist und sich als Mondkaiser vorstellt. Da will Bohnsack so schnell wie möglich hin. Der Flug in die virtuelle Welt funktioniert mit Opium. Für Günter Steinke ist hier der entscheidende Ansatzpunkt seiner kompositorischen Bearbeitung: „Ich setze eine zweite glissandoartige Harmonik über die von Haydn – je weiter die Geschichte in die künstliche Welt eintaucht, desto mehr.“ Nah an Haydn klingt das wie falsch gespielt, weit weg von Haydn klingt es wie Steinke.

Für Regisseur Renato Grünig ist die größte Herausforderung, die „Zeitbrücke von 300 Jahren“ umzusetzen, Geld- und Pfeffersäcke wie Bohnsack zu situieren, ihre Doppelmoral zu zeigen. „Wir zeigen auch seine Männerphantasien“, verpricht er. „Der Schluss wird eine Satire auf Bremen mit seinem Space Park-Debakel“, kündigt Peter W. Schaefer an: Dieses gigantische Projekt im Westen Bremens war gedacht als Erlebnis-Center zum Thema Raumfahrt. Immer noch nicht eröffnet, gilt er heute als eine der größten Investruinen Deutschlands. Ute Schalz-Laurenze

Theater am Leibnizplatz, Bremen, Aufführungen am 12., 15., 16., 18. sowie am 19. Juli jeweils um 19.30 Uhr