Ein Stapelzoo mit Meerblick

Bremerhaven baut seinen Tierpark komplett um. Ein Baustellenbesuch lässt Hoffnung aufkommen: Der Zoo wird so schön, dass es bald wieder einen Grund geben wird, die traurige Stadt an der Wesermündung zu besuchen.Eine Reportage von Eiken Bruhn (Text) und Stefan Bargstedt (Fotos)

„Man könntedoch glatt vergessen, dass die Tiere eingesperrt sind!“

Früher war Bremerhavens Zoo ein trauriges Symbol für den Zustand der Stadt: Grau, heruntergekommen, verlassen. Kein Ort, an dem man sich lange aufhalten mochte und wo man den Bewohnern wünschte, sie würden anderswo etwas besseres finden. Doch jetzt ist Hoffnung in Sicht: Der Zoo wird komplett umgebaut. Nur ein Mauerstück wird übrigbleiben, und bereits die Baustelle lässt erahnen, dass es bald wieder einen Grund geben wird, nach Bremerhaven zu fahren.

Wo Hagenbeck’s Tierpark noch auf das alte Zookonzept setzt und mit Masse protzt – viele Tiere in vielen kleinen Käfigen – macht der vergleichsweise winzige Zoo am Meer aus der Not eine Tugend und beschränkt sich auf eine kleine Auswahl. Sehr großzügig wird das Thema „Nordische Tiere“ interpretiert, denn neben Eisbären, Polarfüchsen und Seehunden tummeln sich in den Gehegen mit Meerblick auch neuseeländische Keas und ein paar Waschbären. Während diese noch in Übergangskäfigen ausharren, lassen es sich die Seebären in ihrem neuen Swimmingpool de luxe schon gut gehen lassen. Die Herde döst in der Sonne und ignoriert den Chef, der von Zeit zu Zeit die Ruhe durchbricht, um mit einem Brüllen den Boss zu markieren. „Wie Club Robinson“, bemerkt Architekt René-Edgar Herwig verträumt. Zoo-Geschäftsführer Christian Bruns und sein Projektleiter Sighard Lückehe nicken zustimmend. Drei Männer, ein Ziel: Ein Zoo, der die Besucher in Scharen aus allen Himmelsrichtungen anzieht. Sie kommen aus dem Schwärmen nicht heraus: „Sehen Sie, dieser Felsspalt! Da können Sie die Eisbären riechen!“ Oder: „Man könnte doch glatt vergessen, dass die Tiere eingesperrt sind!“

Manchmal stehen sich der Versuch, sowohl den tierischen Bedürfnissen als auch den ästhetischen Ansprüchen der Besucher zu genügen, im Wege. Da war die Sache mit den Eisbären. So schön hatten sich die Architekten ausgedacht, dass echte Krüppelkiefern im Eisbärgehege wachsen sollten, aber dann riss der junge Bär „Lloyd“ in seinem jugendlichen Übermut die Bäume aus und wälzte sich in der Erde. Weil schmuddelig braune Jungbären nicht gut rüberkommen, liegt jetzt weißes Granulat aus, das den Menschen die Illusion von Schneeresten gibt und Lloyds Schubberbedürfnisse befriedigt.

Gegenüber den traditionellen Zoos hat die Bremerhavener Anlage einen Vorteil: Sie ist übersichtlich. So kann sich kein Kind beklagen, dass es zu viel laufen muss, und verloren geht auch niemand. Ein Rundweg führt über das überschaubare Gelände, in dessen Mitte der Spielplatz liegt – gut einsehbar von der Café-Terrasse. Das mache alle glücklich, findet Geschäftsführer Bruns: „Da können Sie Schwarzwälder Kirsch futtern und haben die Kids dennoch im Auge.“ Möglich ist die Überschaubarkeit durch einen architektonischen Trick. Es handelt sich um einen Stapelzoo: Der Spielplatz und eine „norddeutsche Flusslandschaft“ mit Schneehäschen und -hühnchen sind ebenerdig angelegt, während die Tiere im ersten Stock in einer künstlichen Felslandschaft wohnen. Zum Schlafen müssen sie über eine Treppe ins Erdgeschoss rutschen. Dadurch vergrößert sich die Nutzfläche des Mini-Zoos um ein Drittel. Außerdem kann man durch Glasscheiben in die Schwimmbassins hineinschauen und den Pinguinen und Robben beim Tauchen zusehen – seit kurzem artgerecht in Salzwasser, das im Keller des Gebäudes mechanisch gereinigt wird.

Doch obwohl jeder einzelne der 8.400 Quadratmeter Grundfläche ausgenutzt ist, wirkt der Zoo nicht beengt. Kein Absperrgitter lässt Knastatmosphäre aufkommen. Auch zur Stadt grenzt sich der Zoo nicht mit einem Zaun ab. Fast überall kann man auf die Wesermündung blicken. So war es immer in Bremerhaven: Das beste war der Ausblick aufs Meer. Mit dem neuen Zoo könnte sich das ändern.