So flutscht es mit Europa

Mehr jüngere Zuschauer erreicht man mit komischen Spielen – denken sich zumindest die Arte-Macher. „7 auf Tour“ und „Schlüsseljagd“ heißen die Light-Formate für den Spartensendersommer

von SILVIA HELBIG

„Oh, lauter Mercedesse. Ich mag keine Mercedesse. Die sind so amerikanisch!“, ruft die Finnin Outi, als sie das Gebäude des Pariser Flughafens verlässt, um sich ein Taxi zu suchen. Dass sie die bekannteste deutsche Automarke für eine US-Schleuder hält, kann nur eines bedeuten: Die jungen Europäer kennen zwar den Feind des „alten Europa“, wissen aber nicht genau, wer überhaupt zum „alten Europa“ gehört. Kann der alt- und kerneuropäische Kulturkanal Arte diese Wissenslücke schließen?

Outi ist eine von 7 jungen Journalisten, die in „7 auf Tour“ mit dem Arte-Bus auf Reisen gehen und aus den europäischen Metropolen berichten. Das neue Format präsentiert nicht nur die Reportagen der Nachwuchsjournalisten aus den 14 EU-Ländern, sondern auch das tägliche Leben im Tour-Bus: die „Europäische Gemeinschaft“ im Kleinen sozusagen. Ein Schelm, wer jetzt an sexuelle Eskapaden oder Gezanke à la Big Brother denkt. Die 7 wurden ausschließlich zu Gunsten einer flutschenden Gruppendynamik gecastet, wie das Presseheft verrät: Der Italiener Stefano ist mit 27 der Älteste und „die ideale Vertrauensperson in der Truppe“. Der Niederländer Tako „ist immer gut drauf“, der Deutsche Christian „ein Fels in der Brandung“, die Finnin Outi „eine starke Persönlichkeit“. Brav kommt auch die erste Folge daher. Die 7 treffen sich zum ersten Mal im Arte-Bus in Paris und stellen sich per filmisches Selbstporträt vor.

Der Deutsche, Christian, erzählt darin in verschwommen poetischen Bildern, wie er in der Schönhauser Allee im damaligen Ostberlin aufgewachsen ist. Warum er sich vor dem Haus, in dem er wohnte, gefürchtet hat und weshalb diese laute, dreckige Straße trotzdem Heimat für ihn ist. Nix Hochglanz, nix Sightseeing. Hier offenbart sich das Potenzial, das in dem Format steckt. Die jungen Journalisten könnten mit ihren Reportagen zeigen, wie sich das wirkliche Leben in der EU anfühlt, fernab der Touristenviertel, die jeder kennt. Während „7 auf Tour“ noch zwischen interessanter Dokumentation und oberflächlichem „So schön ist Europa“-Werbeclip schwankt, ist der Trash-Faktor des zweiten Arte Reiseformates eindeutig.

„Auf Schlüsseljagd“ zeigt ein deutsches und ein französisches Pärchen auf Stadtrallye. In der ersten Folge: Lissabon. Die Paare werden zu Beginn des Spieles getrennt: Michael ist in einem Museum eingesperrt, Nicole muss ihn finden. Bei dem französischen Paar ist die Lage umgekehrt, aber ebenso prekär. Die suchenden Partner rennen durch die Stadt und wedeln den armen Portugiesen aufgeregt mit einer Fotografie des gesuchten Gebäudes vor der Nase herum: hektisch rein in die Kirche, hektisch raus aus der Kirche– das übliche Touri-Proll-Gehabe.

Obwohl: Ein Reiseformat, das die schönsten Metropolen Europas auf spielerische Art abfilmt, wäre eine Neuheit gewesen. Bei der hysterischen Hast von „Schlüsseljagd“ fällt es selbst der an schnelle Schnitte gewöhnten MTV-Generation schwer, den Reiz Lissabons zu entdecken. Da helfen auch die eingeschobenen Beiträge mit den wichtigsten Daten der Stadtgeschichte nichts. Während sich Arte-Programmdirektor Victor Rocaries freut („Endlich ist der Sender nicht mehr nur auf den Bildschirmen Europas, sondern auch in seinen Städten zu Hause!“), fragt sich der Zuschauer, ob das dem europäischen Zusammenwachsen wirklich dienlich ist.

Nachdem das deutsche Paar tatsächlich gewonnen hat, gibt es als Preis (Überraschung!) eine Reise nach Lissabon. Womit Arte wenigstens einräumt, dass auch die Kandidaten von der Stadt nichts mitbekommen haben.

„Auf Schlüsseljagd“ vom 12. Juli bis 30. August jeweils Samstag um 19.00 Uhr; „7 auf Tour“ vom 14. Juli bis 15. August jeweils Mon- bis Freitag um 19.00 Uhr