Tote auf Friedhöfen

Wie eine Königshochzeit: Das ZDF sendete live von den D-Day-Feiern, Ursachenketten haben da keinen Platz

Davon hat Guido Knopp immer geträumt: Seine Sendung, Thema Nazizeit, permanent mit Marschmusik untermalt! Statt Knopp’scher Geigenlyrik ging es zackig zu im ZDF, 60 Jahre nach dem D-Day.

Fast alle Kanäle haben sich mit dem 6. Juni 1944 befasst. Runzelstirn Kloeppel auf RTL, Pro7 doku-fiktiv, Arte zur Primetime, selbst Kabel 1 oder N24 kamen nicht drumherum. Die Dritten nebst der ARD nahmen sich pflichtschuldig des Themas an und das ZDF eben mit dem ultimativen Overkill. Drei Stunden hat das Zweite aus der Normandie übertragen. Eine Mischung aus Königshochzeit und Gipfeltreffen, umrahmt von einer Talkrunde unter der Führerschaft des ZDF-Zeitgeschichtlers Knopp – es war unsäglich.

Der Historiker Arnulf Baring machte Täter zu Opfern und pries deutsche Tapferkeit, der Politologe Christian Hacke forderte Gedenken an Wehrmachtssoldaten, „die ja auch sehr gelitten haben“, ein Le Figaro-Korrespondent gab den Versöhnungsstatisten.

Ringsum auf Leinwänden und Splitscreens: Stechschritt, Soldaten, rechts um Marsch, Marsch! Krieg, so lautet die Quintessenz der bellizistischen Kanonade aus Mainz, ist eben nur Politik mit anderen Mitteln.

„Es gibt eine allgemeine Inflation der Gedenktage“, meint der Medienwissenschaftler Hans-Ulrich Wagner. Besonders im ZDF. „Jemand wie Knopp“, so der Professor am Hamburger Hans-Bredow-Institut, „feiert ja nie historische Entwicklungen, sondern nur Ereignisse.“ So macht man Quote. Ob das Versorgungsbedürfnis vor seiner Befriedigung da war, beurteilt Wagner mittig: „Die Medienmacher sondieren die Bedürfnisse des Publikums und heizen sie durch massenmediale Wirkung auf“.

Die Sensibilisierung für Ex-Tabu-Themen sieht er dabei durchaus positiv. „Aber mit welcher Botschaft wird die Öffentlichkeit erreicht?“ Angreifer und Angegriffene würden zu bloßen Objekten, Ursachen und Ereignisketten missachtet, Wertungen offenbar überflüssig. Es lebe der Zeitzeuge.

Den tischte Guido Knopp neben den typischen Dokufilmchen reihenweise auf. Bestes Beispiel: ein Landser, am Bildschirmrand zum „D-Day-Veteran“ verkürzt. Nachdem er das Alter seiner Kameraden auf maximal 18 (also per se unschuldig) taxiert hatte, antwortete er auf die Frage zu begrabenen SS-Angehörigen sinngemäß „ja, auf Friedhöfen liegen Tote“. Danke, sagte Guido Knopp. Schön, drüber geredet zu haben.

Arnulf Baring durfte noch über die rot-grüne Kriegsverweigerung herziehen, Christian Hacke über Putins Russland. Und jetzt wieder Marschmusik.

JAN FREITAG