In Japans Rentensystem ist nur die Krise sicher

Umstrittene Rentenreform wird nach Expertenmeinung das Grundproblem des japanischen Rentensystems nicht lösen

TOKIO taz ■ Um die immer größeren Löcher in der Rentenkasse zu stopfen, hat Japans Oberhaus am Samstag nach teilweise handgreiflicher Debatte die Rentenreform der Regierung gebilligt. Sie sieht höhere Beiträge sowie Auszahlungskürzungen vor.

Nirgends ist die Lebenserwartung höher als in Japan. Gleichzeitig sind die Geburten stark rückläufig. 1970 finanzierten 8,5 Erwerbstätige einen Rentner, heute sind es 3,5. Ab Oktober soll deshalb der Beitragssatz jährlich um 0,35 Prozent von bisher 13,6 Prozent auf 18,3 Prozent steigen. Arbeitnehmer und -geber übernehmen je die Hälfte. Auch der Staat wird sich an der Kostensteigerung beteiligen müssen, dabei ist er schon überschuldet.

Trotz höherer Belastung müssen Japans Senioren künftig mit weniger auskommen. Statt 59 Prozent des Nettolohnes will der Staat nur noch 50 Prozent garantieren. Dies sind die Kernpunkte der am Samstag verabschiedeten Rentenreform der Regierung Koizumi. Die beiden größten Oppositionsparteien hatten nach Handgreiflichkeiten den Saal verlassen, die Regierungskoalition mit ihrer Mehrheit im Oberhaus brachte das Gesetz durch.

Die Keilerei bildete den vorläufigen Höhepunkt des Rentenskandal, der den Oppositionsführer wie einen engen Vertrauten des Premiers den Job gekostet hatte. Denn viele Politiker hatten ihre Beiträge in die staatliche Rentenkasse nicht gezahlt. „Vergessen“, behaupteten viele. Das Vertrauen ins Rentensystem sei am Nullpunkt, bilanziert Professor Noriyuki Takayama. Daran werde wohl auch die jetzige Reform wenig ändern. Der Pensionskassenspezialist der Universität Hitotsubashi in Tokio sagt: „Japans Jugendliche fürchten, weniger zu herauszubekommen, als sie jetzt einzahlen.“ Die Jüngeren wollten nicht einfach die Älteren finanzieren.

Takayama verweist auf den rasanten Anstieg der „Renten-Delinquenten“. Acht Millionen JapanerInnen haben ihre Rentenbeiträge nicht bezahlt. Es sind vor allem Selbstständige und Jugendliche mit Gelegenheitsjobs. Anders als Festangestellte werden ihre Prämien nicht automatisch vom Lohn abgezogen. 1996 blieben weniger als 20 Prozent der Zahlungspflichtigen die Beiträge schuldig. 2002 waren es bereits fast 40 Prozent.

Aufgeschreckt durch die miserable Zahlungsmoral startete die Regierung eine Kampagne mit der Botschaft „Zahle jetzt oder leide später.“ Doch selbst die Auftraggeber zahlten nicht. Takayamas Rat: „Es muss eine direkte Verbindung hergestellt werden zwischen den Beiträgen, die ich heute leiste, und dem, was ich später erhalte. Konkret: ein persönliches Konto.“ Doch auch das neue Gesetz biete keine Anreize, Prämien zu zahlen. Takayama: „In fünf Jahren können wir wieder vorn anfangen mit der Reform.“ MARCO KAUFFMANN