Der Männerclub meint’s nicht bös

Berliner S-Bahn und Strombetrieb sind Vorbilder für Chancengleichheit, doch Ingenieurinnen sind auch dort einsam. Der DGB startet neue Beratungsoffensive

Der Betriebsrat: „Wir waren hier schon immer frauen- und schwulenfreundlich“

BERLIN taz ■ „Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen, wär ich gleich aufs Klo verschwunden.“ Die blond bezopfte Marianne (Name geändert) ist Azubi in der Ausbildungswerkstatt der S-Bahn Berlin und hat’s gerade schwer. Sie ist die einzige Frau weit und breit unter einem Haufen schweißender und schneidbrennender Jungmänner. Da der Betrieb gerade vorführen will, wie vorbildlich frauenfreundlich er ist, stürzen sich mehrere JournalistInnen mit Mikrofonen, Blöcken und Fragen auf das unvorbereitete Anschauungsexemplar. Ja, es gebe dumme Sprüche der Kollegen. „Was machen Sie dann?“ – „Nix, weiterarbeiten.“ Eigentlich wollte Marianne Zweiradmechanikerin werden, „aber die wollten alle keine Frauen“. So landete sie bei der S-Bahn. „Sperrig, sperrig“, murmelt der Radio-Kollege beim Weggehen. Es ist unklar, ob er das Thema meint oder seine Gesprächspartnerin.

Das Thema ist es jedenfalls. Chancengleichheit im Betrieb, das ist so sperrig, dass die Bundesregierung, obwohl sie es seit Jahren plant, kaum etwas dazu auf die Beine gestellt hat, wie DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer auf der Betriebsbesichtigungsfahrt durch Berlin feststellen muss: „Wir wollen immer noch ein Gesetz für die Wirtschaft. Aber da nichts passiert, geht der DGB nun alleine los.“ Besser gesagt: Er fährt – in diesem Fall zu Betrieben, die schon stolz darauf sind, dass 10 Prozent ihrer Technik-Azubis weiblich sind, wie die (halb-)öffentlichen Firmen S-Bahn oder der Stromversorger Bewag. Und er fährt seit gestern auch eine Beratungsoffensive.

Vor allem BetriebsrätInnen sollen angesprochen werden. Mit dem neuen Betriebsverfassungsgesetz wurden die Betriebsräte quotiert. Sie haben zudem den Auftrag, sich um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu kümmern. Aber wie? Darauf will der DGB Antworten geben: mit Checklisten für den Weiterbildungsbedarf von Frauen – auf dass diese doch mal in Führungspositionen landen –, mit Hilfe beim Entwickeln von familienverträglichen Arbeitszeitmodellen, bei der Überprüfung der Tarifstruktur und einigem mehr. Dem S-Bahn-Betriebsrat etwa fällt ein, dass nur 7 Prozent der S-Bahn-Führer Frauen sind, weil die – kinderbedingt – oft ein Problem mit Schichtdienst haben. Da könne man mal mit dem DGB überlegen.

Die S-Bahn hat bisher nicht so viel überlegt. Sie führt zwar stolz ihren Panoramazug mit Eichenholz und Silberverkleidung („Silber steht für die Zukunft“) vor, und fünf Männer plus eine Frau erklären akribisch, wie S-Bahnen auseinander genommen und wieder zusammengesetzt werden, aber was sie nun speziell für die Chancengleichheit tun, fällt ihnen erst mal nicht ein. „Das ist hier alles ganz selbstverständlich“, sagt der Betriebsrat. Das Betriebsklima sei „schon immer frauen- und schwulenfreundlich gewesen“. Der Betriebsrat ist tatsächlich quotiert. Man hat insgesamt 30 Prozent Frauen, die meisten natürlich am Fahrkartenschalter und in den Stationen, darauf ist man stolz, Punkt. Frauen bevorzugt einstellen? So weit geht die Liebe nicht. Muss vielleicht auch nicht, wenn das Klima stimmt: „Hier hat keiner was gegen weibliche Vorgesetzte“, erklärt der Betriebsrat. In der Werkstatt etwa ist fast die Hälfte der Leitungsebene weiblich: Da gibt es weniger schwere Lasten zu wuchten, also spielen die Frauen normal mit. Eine Ausnahme, wie der Betriebsrat betont.

Die Bewag hat genauer überlegt: Als Energieunternehmen ist sie mit 24 Prozent Frauen schlechter dran als die S-Bahn, aber das animiert offenbar zu Taten: „Die Mädels“, so der Betriebsrat, „werden bei gleicher Eignung bevorzugt.“ Es gibt einen Arbeitskreis Chancengleichheit, der verschiedenste Teilzeitmodelle durchgesetzt hat und das Recht, nach einem Jahr Elternzeit auf exakt denselben Arbeitsplatz zurückzukehren. Es gibt Traineeprogramme und sogar eine Mobbing-Ansprechstelle. Im Bereich „Netze“, der auf der höheren Ebene vor allem Ingenieure beschäftigt, ist die Frauenquote dennoch mies. Svetlana Jung ist eine der Raritäten. Die schlanke Dame im kurzen Rock ist offen: „Die Führungsetage ist ein Männerclub. Die meinen das nicht böse, aber viele Frauen sagen: So wie das da läuft, darauf habe ich keine Lust.“ Sie selbst engagiert sich heftig für mehr Frauen im technischen Bereich: „Ich fühl mich immer so allein“, seufzt sie theatralisch. Alles lacht. Ein Witz, der stimmt.

HEIDE OESTREICH