„Volkswagen hat die Technik verschlafen“

Umweltschützer klagen, die deutsche Industrie verhindere Filter, weil sie zu lange auf „innermotorische Lösungen“ setzte

BERLIN taz ■ Das Problem ist unbestritten: Dieselmotoren stoßen sehr feine Rußpartikel aus, die zu Krebs- und Atemwegserkrankungen führen können. 14.400 Menschen sterben jährlich an den Folgen von Rußpartikeln in Deutschland, schätzt das Umweltbundesamt. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz geht sogar von 18.000 Toten aus.

Fahrzeuge mit Dieselmotoren sind in Deutschland beliebt. Ihr Anteil an den Neuzulassungen ist sogar steigend und liegt derzeit bei rund 40 Prozent. Schon heute gibt es Modelle mit eingebauten Dieselrußfiltern (siehe Kasten). Diese Fahrzeuge sind aber zumeist teurer. Die Anschaffungskosten für einen Rußfilter liegen bei rund 1.000 Euro. Die geplanten Steuervorteile sollen diesen Nachteil ausgleichen.

Bei dem Rußfilter handelt es sich um einen Keramikkörper oder ein Metallfließ mit sehr kleinen Öffnungen, der die feinen Rußpartikel auffängt. Fängt die klebende Partikelschicht an, die Öffnungen zu verstopfen, erhöht sich die Temperatur kurzfristig und verbrennt den Ruß fast ohne Rückstände. Einmal ins Auto eingesetzt, hält ein Rußfilter ein Autoleben lang.

Dass die Rußfilter heute vor allem in Peugeots und Renaults stecken, ist einer Entscheidung der deutschen Manager geschuldet. Sie setzten – anders als ihre französischen Konkurrenten – auf eine so genannte innermotorische Lösung. Das Problem: Bisher hält die „innermotorische Lösung“ nicht, was sie verspricht. Zwar konnte seit Anfang der 90er der Dieselpartikelausstoß um mehr als neunzig Prozent vermindert werden. Aber das reicht nicht. Die technisch weniger ambitionierten, aber mit einem Filter versehenen Motoren der französischen Kollegen haben die besseren Werte.

„Es kann nicht sein, dass die Einführung gesundheitsschonender Partikelfilter unterbleibt oder verschoben wird, weil Volkswagen die Technik verschlafen hat und der Vorstandsvorsitzende von eigenem Versagen ablenken will“, sagte Gerd Lottsieben, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD).

Der Verband der deutschen Automobilindustrie hält dagegen: „Wir lassen uns von einigen Öko-Aktivisten nicht in die Rolle eines Gegners von Dieselpartikelfiltern bringen“, erklärte der Verbandschef Bernd Gottschalk. Die Autoindustrie sei mitnichten gegen eine steuerliche Förderung von Dieselpartikelfiltern. Der Prozess der Verbreitung des Filters sei hingegen „in vollem Gange“. Allerdings, so der Autoverband, sollten vor einer Steuervergünstigung die Grenzwerte europäisch – und nicht national – definiert werden.

Derzeit gilt in Deutschland die Abgasrichtlinie „Euro 3“, nach der bis zu 50 Milligramm Rußpartikel pro gefahrenem Kilometer ausgestoßen werden dürfen. Ab Januar 2005 reduziert sich diese Menge auf 25 Milligramm. Dies gilt nur für neu zugelassene Autos und wird erst ab 2006 auf alle Fahrzeuge ausgeweitet. Nach dem Willen der Umweltverbände wäre ein deutlich niedrigerer Grenzwert von 2,5 Milligramm – also ein Zehntel des von der EU erlaubten Ausstoßes – angemessen. Dies hat auch die Konferenz der Umweltminister parteiübergreifend gefordert.

MICHAELA KRAUSE