Das Hohe Liedt des günstigen Wunders

Das neuen Zentrum für Alleinerziehende in Hamburg bietet erstmals in Norddeutschland Mutter-Kind-Betreuung, Jugendhilfe und Berufsorientierung unter einem Dach an. Selbst die Behörde staunt, dass sie das geschafft hat

von Claudia Hangen

Anita legt ihren Sohn ins Kinderbett und wartet, bis er einschläft. Dann bindet die angehende Hotelfachfrau sich schnell eine knielange rote Schürze um und rennt die Treppe hinunter, um den übrigen alleinerziehenden Müttern im Garten am Buffettisch beim Ausschenken der Kartoffelsuppe zu helfen. Zahlreiche Gäste haben sich gestern auf dem 5.000 Quadratmeter großen Gelände versammelt beim Tag der offenen Tür im Zentrum für Alleinerziehende Hohe Liedt im Hamburger Stadtteil Langenhorn.

Uwe Riez, zuständiger Amtsleiter in der Familien- und Sozialbehörde der Hansestadt, vergleicht das offziell bereits im März eröffnete Zentrum für Alleinerziehende des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung (LEB) mit einem „politischen und ökonomischen Wunder“. Weder in Hamburg noch in einem anderen Bundesland des Nordens gibt es bisher ein vergleichbares Angebot, das alleinerziehenden, minderjährigen und volljährigen Müttern und Vätern eine dreistufige Rundumbetreuung ermöglicht.

So finden sie auf dem Terrain von der Jugendhilfe über die Mutter-Kind-Betreuung bis zur Berufsorientierung und -ausbildung alles vor. Und dabei sind die Kosten für einen Platz mit 140 Euro pro Tag sogar „günstig“, urteilt Riez. Finanziert wird das Zentrum aus Mitteln der Hamburger Behörde für Familie und Soziales und des Europäischen Sozialfonds (ESF).

Beatrice Schröder, Leiterin des Bereichs Jugendhilfe, freut sich nicht nur über das sonnige Wetter, sondern auch den sozialpädagogischen Schwerpunkt der Einrichtung. Ziel sei es zudem, „die Mütter und Väter über die Berufsorientierung auf ein selbständiges Leben vorzubereiten“. Dabei können sie zwischen Berufen wie Frisör, Maler, Florist, Schneider, Einzelhandelskaufmann und Computerfachmann je nach individueller Neigung wählen.

Darüberhinaus leisten die Betreuer Hilfestellung dabei, wie Schröder es formuliert, „dass ein affektives Band zwischen dem Kind im ersten Lebensjahr und der Bezugsperson ensteht, das die Basis für die nötige Selbstsicherheit und Selbstständigkeit im späteren Leben der Kinder darstellt“.

John (20) aus Nigeria, einziger alleinerziehender Vater im Zentrum, träumt von einem Berufseinstieg als Automechaniker. Doch sein Wunsch ist bisher nur ein Traum, da er noch den Flüchtlingsstatus hat. Dennoch wirkt er zufrieden. Er lächelt. Immerhin wohnt er in einem der 16 kindgerecht eingerichteten Appartements der beiden Mutter-Kind-Häuser, und die „Betreuer sind total nett“.

Und für die anderen BewohnerInnen in Hohe Liedt, von denen die meisten Erinnerungen an eine schwere Vergangenheit wegen Misshandlung, Missbrauch oder Gewalt in den Familien verarbeiten, beginnt ab dem 1. August eine sechsmonatige Berufsorientierung. 24 Plätze hält das Zentrum dafür bereit. Im Anschluss daran können sie eine dreijährige Ausbildung in Zusammenarbeitmit der Berufsbildungseinrichtung Rosenhof antreten.

Iris Freytag von der Bildungsbehörde hofft, dass „das Beispiel in anderen Bundesländern Schule“ macht. Sie kann es kaum glauben, dass in nur sieben Monaten der Übergang von der Erstversorgungseinrichtung für unbegleitete Flüchtlinge in ein berufsorientierendes Zentrum für Alleinerziehende geglückt ist.

Die Menschentraube löst sich auf, um die Gebäude zu besichtigen. Aus den Lautsprechern ertönen französische Chansons.