Debatte um Dieselruß
: Berlin sollte Dreckschleudern stoppen

„Die Stadt hat das Recht, Auflagen für Fahrzeuge zu machen“

Die Debatte um Dieselruß in der Berliner Luft ist so alt wie die Handlungslähmung des Berliner Senats dazu. Schon vor zehn Jahren schlugen ExpertInnen Alarm. Reihenuntersuchungen im Bezirk Charlottenburg ergaben, dass 30 Prozent aller Grundschulkinder anfällig für Allergien waren – Vergleiche mit Kindern in verkehrsärmeren Gebieten legten nahe, das aus den vermehrten Autoabgasen zu erklären. Noch bedenklicher waren Studien, die erbrachten, dass Ruß aus Dieselmotoren Krebs im Atembereich begünstigt. Einige Fachleute schätzten die Zahl der BerlinerInnen, die pro Jahr an Dieselkrebs sterben, auf 300, andere „beruhigten“ sich und andere damit, dass es weniger seien.

Der Stadtverkehr macht krank – das bestritt schon damals niemand. Und so war auch der Senat getrieben, zumindest den Schein des Tuns zu wahren. Er beschloss im August 1994 eine Rechtsverordnung, die für die gesamten inneren S-Bahn-Ring nur noch Autos mit geringen Abgaswerten zuließ. Die Verordnung sollte ab 1999 in Kraft treten, damit sich die Bürger und Betriebe der Stadt vorbereiten konnten.

Diese Verordnung hätte die Abgaswerte klar verbessert. Der Senat erhielt für sie auf der Welt-Klimakonferenz in Kioto 1997 sogar einen internationalen Preis, Berlin wurde als internationales Vorbild hingestellt. In Wirklichkeit war alles nur eine Inszenierung. Vorbereitungen zur Umsetzung wurden nicht getroffen, es gab keine Informationsblätter und keine Beratung für Betriebe. Als 1999 die Stunde der Wahrheit schlug, wurde das Konzept stillschweigend zurückgezogen. Kein Auto ist durch die berühmte Verordnung sauberer gefahren.

Dennoch ist es zum Handeln nicht zu spät. Messungen ergeben, dass Berlins Luft vielerorts zulässige Grenzwerte überschreitet. Wie 1994 lässt das Bundesrecht auch heute zu, dass Berlin als Bundesland darauf mit einer eigenen Regelung reagiert. Die größte Gefahr ist der Dieselruß. Zwar hat die Autowirtschaft beim Autokanzler gerade erfolgreich verhindert, dass endlich Rußfilter für Dieselfahrzeuge zum Standard werden. Aber die Stadt hat das Recht – und eigentlich die Pflicht –, Auflagen für Fahrzeuge in stark belasteten Gebieten zu machen, wenn die Gesundheit der dort Lebenden gefährdet ist. Sie kann festlegen, dass dort, auch in der ganzen Stadt, nur mit Rußfiltern gefahren werden darf.

Natürlich mutet diese Auflage den Betrieben und BürgerInnen Ausgaben zu. Die halten sich aber mit mehreren hundert Euro in Grenzen, auch sollte ein Übergangszeitraum Gelegenheit geben, sich darauf vorzubereiten. Nicht nachvollziehbar ist, dass die BVG-Busse und die Müllfahrzeuge die Luft ohne Filter verpesten, obwohl diese Betriebe der Stadt gehören. Soll Berlin weiter zulassen, dass hunderte, oder seien es nur dutzende, pro Jahr an Krebs erkranken? Oder entschließt sich der Senat endlich für den vorgeschlagenen Schritt? Wetten, dass die träge deutsche Autoindustrie dann umgehend Rußfilter-Autos vom Band laufen lässt? HARTWIG BERGER

Der Autor ist Vorsitzender des Naturschutzzentrums Ökowerk Berlin