Im Dschungel der Dekrete

Indonesiens Regierung will verhindern, dass Journalisten frei aus der Kriegsprovinz Aceh berichten: Ausländer werden der Spionage verdächtigt, einheimische Medien geraten zwischen die Fronten

aus Jakarta SVEN HANSEN

Offiziell gibt kein Verantwortlicher in der indonesischen Hauptstadt zu, dass die Kriegsregion Aceh im Norden Sumatras für ausländische Journalisten gesperrt ist. In der für Korrespondenten zuständigen Abteilung im Außenministerium wird jedoch kein Hehl daraus gemacht, dass ausländischen Journalisten zurzeit der Zugang nach Aceh verwehrt wird. „Wir haben seit dem 18. Juni keine Genehmigung mehr erteilt“, heißt es – also seit Verhängung des Kriegsrechts und der jüngsten Militäroffensive gegen die separatistische „Bewegung Freies Aceh“ (GAM). Bei Missachtung drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Als sich Berichte aus Aceh über zivile Opfer und von Vertreibungen häuften und dort gar deutsche Touristen Opfer des Militärs wurden, erließen Präsidentin Megawati Sukarnoputri und Acehs oberster Militärverwalter strenge Dekrete. Die sperren Aceh nicht nur generell für Ausländer, sondern erschweren die Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten in der umkämpften Provinz von der Größe Bayerns weiter. Da das Außenministerium bisher keine Ausführungsbestimmungen erhielt, sieht es sich nicht in der Lage, überhaupt Genehmigungen auszustellen. Zwar hieß es auf Nachfrage, dies könne in vielleicht einer Woche der Fall sein. Doch diese Antwort hören Korrespondenten schon länger.

„Viele unserer Mitglieder haben schon aus zahlreichen Konfliktgebieten dieser Welt berichtet und empfinden die Beschränkungen in Aceh mit als die restriktivsten, denen sie je begegnet sind“, heißt es in einem Protestschreiben des Vereins der Auslandskorrespondenten in Jakarta (JFCC) an die Regierung. Künftig werden Korrespondenten, so sie denn Genehmigungen bekommen, nur aus Acehs größeren Städten berichten dürfen. Fahrten aufs Land, wo der Krieg hauptsächlich stattfindet, sind nur mit Erlaubnis des Militärs sowie mit militärischer Begleitung gestattet. Das verhindert spontane Recherchen, offene Gespräche mit der Zivilbevölkerung sowie Kontakte zu den etwa 5.000 Rebellen.

Für eigens zur Kriegsberichterstattung einreisende Journalisten bleibt die rohstoffreiche Provinz mit 4,5 Millionen Einwohnern weiter gesperrt. Einheimische Journalisten dürfen jetzt von dort nicht mehr für internationale Medien arbeiten. Bisher haben Acehs Militärbehörden drei ausländische Berichterstatter – zwei Malaysier und einen Japaner – aus der Provinz verwiesen: wegen „Visavergehen“.

Doch die Militärs erzürnte vor allem der 46-jährige US-Journalist William Nessen, der zuletzt für den San Francisco Chronicle und den Sydney Morning Herald schrieb. Er war als einziger Journalist mit den Rebellen unterwegs. Das hätte ein Gegengewicht zu den inzwischen 100 indonesischen Reportern gebildet, die bei den 40.000 Soldaten und Polizisten abwechselnd „eingebettet“ sind und aus deren Perspektive berichten (siehe taz vom 30. 5.). Minister und Militärs brandmarkten Nessen als Spion und drohten ihm mit dem Tod. Der ließ zunächst ein Ultimatum zur Kapitulation verstreichen und verlangte Sicherheitsgarantien. Später stellte er sich und ist seitdem inhaftiert. Die Behörden überlegen noch, wessen sie ihn anklagen sollen.

Das Militär begründet seine Restriktionen mit der Sicherheit der Journalisten. Die sind, wie in jedem Kriegsgebiet, gefährdet. Bisher wurde der Kameramann Muhammad Jamal des staatlichen Senders TVRI getötet. Er war kurz nach Beginn der Militäroffensive von Unbekannten entführt und Mitte Juni tot aufgefunden worden. Journalisten in Jakarta vermuten GAM hinter der Tat.

Die seit 1976 für die Unabhängigkeit kämpfende Rebellenbewegung hält den Reporter Ersa Siregar und Kameramann Ferry Santoro des Privatsenders RCTI sowie ihren Fahrer und zwei Begleiterinnen gefangen. Sie sollen Ehefrauen hoher Offiziere sein, weshalb GAM die Geiselnahme mit Spionage begründet. Ein Rebellensprecher warf dem Militär vor, wiederholt Spione als Journalisten zu tarnen. Das Militär bestreitet das. In Aceh wurden bisher mehrere Journalisten von Unbekannten beschossen. Ein Reporter des Radiosenders 68-H wurde kürzlich von Soldaten verprügelt, die in ein Dorf eindrangen, in dem er gerade Interviews machte.

Viele der neuen Restriktionen haben mit Sicherheitsfragen wenig, mit der Beschneidung ausländischer Berichterstattung dagegen sehr viel zu tun. Regierung und Militär haben den Krieg lange vorbereitet. Wenn sie jetzt die Arbeitsmöglichkeiten ausländischer Medien einschränken, haben sie die Berichterstattung falsch eingeschätzt – oder aber, was wahrscheinlicher ist: Die Offensive verläuft nicht wie geplant. Militärchef Endriartono Sutarto räumte denn auch kürzlich ein, dass der Krieg nicht, wie erhofft, in sechs Monaten vorbei sei, sondern noch ein oder zwei Jahre, wenn nicht gar zehn dauern könne.

Indonesiens Menschenrechtskommission hat die Offensive auch als bereits gescheitert bezeichnet und beide Konfliktparteien angesichts von offiziell 48.000 Flüchtlingen aufgefordert, wieder Verhandlungen aufzunehmen.