Einer zu viel am Steuer der Union

CDU-Chefin Angela Merkel bekräftigt ihren Führungsanspruch und hofft auf weniger „Nebenbemerkungen“. Roland Koch begründet seine abweichende Meinung zur Steuerreform mit Europa. Hans Eichel stellt diese Woche deren Finanzierung vor

von MATTHIAS BRAUN

Schritt halten mit Kanzler Gerhard Schröder (SPD) – an dieser Aufgabe reibt sich derzeit die Union auf. Der sachliche Gehalt des Streits, wie die vorgezogene Steuerreform zu finanzieren sei, vermischt sich dabei mit der Personaldebatte darüber, wer in der CDU den Hut aufhat – Koch oder Merkel.

Der hessische Ministerpräsident wiederholte am Wochenende seine von der CDU-Linie abweichende Meinung, dass die vorgezogene Steuerreform nicht, wie von der rot-grünen Regierung geplant, durch neue Kredite finanziert werden dürfe. CDU-Chefin Angela Merkel hingegen legte sich nicht eindeutig fest und hielt einer Zusammenarbeit mit Rot-Grün weiter die Tür auf. Die Regierung Gerhard Schröders (SPD) will das für die Reform notwendige Geld durch Kredite, Verkäufe und Subventionsabbau aufbringen. Schröder hatte angekündigt, noch diese Woche klar zu machen, wie seine Regierung das notwendige Geld aufbringen will.

Roland Koch sagte dem Spiegel, er halte einen weiteren Anstieg der Verschuldung „nicht für vertretbar“. Er begründet dies mit dem europäischen Stabilitätspakt. „Wir können als Bundesrepublik Deutschland doch nicht einfach sagen: Jetzt ist uns mal alles egal“, sagte Koch. Sollte die Bundesregierung für ihr Reformprojekt neue Schulden aufnehmen, übersteigt die Neuverschuldung die Grenze von 3 Prozent vom Bruttosozialprodukt, die EU-weit gilt.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Peer Steinbrück (SPD) kündigte Koch im Spiegel an, nach der Bayernwahl Ende September Vorschläge zum Subventionsabbau vorzulegen. Dabei wolle man konsensfähige Lösungen von den umstrittenen trennen. Nach den Vorstellungen der parteiübergreifenden Arbeitsgruppe sollen in drei Jahren 15 Milliarden Euro eingespart werden.

Angela Merkel sagte dem Tagesspiegel, man würde sich erst festlegen, wenn Entscheidungen anstünden. Zunächst solle Finanzminister Hans Eichel (SPD) sagen, wie er die vorgezogene Steuerreform bezahlen wolle. Es gehe nicht an, dass die Regierung einen Vorschlag mache und die Opposition Vorschläge entwickle, wie diese umgesetzt werden könnten. Die von der Parteilinie abweichende Meinung Roland Kochs kommentierte Merkel: „Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Nebenbemerkungen weiter sinkt.“ Damit bekräftigte sie ihren Führungsanspruch.

Angesichts der Umtriebe des Hessen mit Kanzlerambitionen scheint dies ein vergeblicher Disziplinierungsversuch zu bleiben. Am Wochenende kritisierte auch der CDU-Wirtschaftsrat die Parteispitze. Der Vorsitzende, Kurt Lauk, sprach sich in der Welt am Sonntag gegen eine schuldenfinanzierte Steuerreform aus. Stattdessen schlug er vor, Subventionen in Höhe von 23 Milliarden Euro abzubauen. Er will unter anderem das Erziehungsgeld streichen. Im Wirtschaftsrat haben sich CDU-nahe Führungskräfte aus deutschen Unternehmen und Selbstständige zusammengetan.

Die Münchner Staatskanzlei Edmund Stoibers, die in der Steuerfrage eigentlich hinter Merkel steht, schickte eine doppelzüngige Botschaft. Kochs Haltung sei „völlig irrational“, sagte zwar der Wirtschaftsstaatssekretär Hans Spitzner (CSU) dem Focus. Doch fügt er hinzu, dass der Hesse immer daran denken solle, Kanzler werden gehe „nur mit der CSU“.