Arbeitsagentur setzt auf Prinzip Hoffnung

Zählweise schönt Arbeitslosenzahlen. Lage bleibt jedoch dramatisch: Weniger Lehrstellen, mehr Langzeitarbeitslose

NÜRNBERG dpa/afp/dpa ■ Die Zahl der Arbeitslosen ist im Mai saisonbedingt um 150.000 auf 4,293 Millionen gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr gab es 50.000 Arbeitslose weniger, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit. Der Grund für diesen Rückgang liegt jedoch in der Zählweise: Seit Jahresanfang sind rund 80.000 Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik erfasst. Ohne diesen Effekt wäre die Arbeitslosenzahl im Vorjahresvergleich um 29.300 sogar auf den höchsten Mai-Stand seit der Wiedervereinigung gestiegen. Von der erhofften Trendwende auf dem Arbeitsmarkt konnte also auch im Mai keine Rede sein.

„Das Wirtschaftswachstum ist nach wie vor zu schwach, um dem Arbeitsmarkt Impulse zu verleihen“, erklärte BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise in Nürnberg. Dass die Arbeitslosenzahl im Herbst die psychologisch wichtige 4-Millionen-Marke erreicht, hält BA-Vize Heinrich Alt nur bei erheblich mehr Wirtschaftswachstum für möglich. Ob die Konjunktur wirklich anziehe, hängt laut Alt von Faktoren wie der Bereitschaft von Unternehmen zu Neuinvestitionen oder der Entwicklung des Ölpreises ab. „Wir leben ein Stück weit von der Hoffnung“, sagte er.

Besonders dramatisch ist nach Einschätzung von Arbeitsmarktexperten der wachsende Anteil der Langzeitarbeitslosen. Entgegen dem allgemeinen Trend stieg ihre Zahl binnen Jahresfrist um 13,4 Prozent auf 1,559 Millionen. Damit macht diese Gruppe inzwischen 36,3 Prozent aller offiziell Erwerbslosen aus.

Ungeachtet dessen sprach Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) von erfreulichen Mai-Zahlen. „Die Entwicklung zeigt, dass wir mit unseren Reformen den richtigen Kurs eingeschlagen haben“, sagte Clement. Vor allem die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen habe sich günstig entwickelt.

Bei den Auszubildenden ist die ohnehin schon große Lehrstellenlücke allerdings weiter gewachsen. Ende Mai standen 126.900 unbesetzten Ausbildungsplätzen 312.100 unvermittelte Bewerber gegenüber, womit die rechnerische Lehrstellenlücke bei 185.200 lag. Hauptproblem bleibt der Rückgang bei den gemeldeten Ausbildungsplätzen: So wurden seit Oktober 409.600 Stellen gemeldet und damit 23.400 weniger als im selben Vorjahreszeitraum. Parallel zum Stellenrückgang stieg die Zahl der Bewerber weiter an.

Die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt stellt auch die Finanzplanung der BA in Frage. Für das laufende Jahr schließt die Agentur einen höheren Bundeszuschuss zum BA-Haushalt nicht mehr aus. Es deute sich ein Zuschussbedarf von bis zu 5,8 Milliarden Euro an, sagte Finanzvorstand Raimund Becker. Eingeplant sind nur 5,2 Milliarden.