Bloß Ich ist nicht genug

Dienstleistungskunst rund um die Bewerbung beim Stralsunder garage-Festival

Scheitel links oder rechts? Lippenstift: ja, aber nicht zu aufdringlich. Oder doch lieber keiner? Hemd oder Pullover? Sexy oder elegant oder neutral? Auffallen oder sich anpassen?

Bewerbungsfotos machen Stress. Gesichter werden zu Markte getragen, sie sollen die Individualität der BewerberIn ausstellen und gleichzeitig den Ansprüchen des Arbeitgebers gerecht werden. Den vermuteten Ansprüchen. Unterwerfung ist ein Teil der Bildsprache von Bewerbungsfotos. Dass ausgerechnet die „Ich-AGs“ als der in Worte gefasste Gipfel der marktförmigen Zurichtung arbeitsfähiger Persönlichkeiten keine Bewerbungsfotos mehr brauchen – sie sind ja ihr eigener Arbeitgeber – ist wohl so etwas wie die Ironie von det Janze.

Die Künstlerinnen-Gruppe „Wir-AG“ sammelt nun für eine Ausstellung auf dem Stralsunder Kunstfestival „garage“ (25.7 bis 16.8.) Bewerbungsfotos, um sie in einem leer stehenden Ladenlokal in der Stadt an der Ostseeküste zu zeigen. Da es sich aber bei den Arbeiten von Elke Falat, Julia Tieke und Katja Clysters um so genannte Dienstleistungskunst handelt, bleibt es längst nicht beim kritischen Abstand zur Arbeitsmarktpolitik des ganz neuen Deutschland. Die drei jungen Künstlerinnen, selbst auf dem Weg in die Lohnarbeitswelt oder die Ich-AG, werden in ihrem Ladenlokal auch Zeugnisse ausstellen – quasi als das andere Ende des Bewerbungsrituals. Und wenn das gefakte Zeugnis als Anlage zur nächsten Bewerbungsmappe hilfreich ist, dann ist auch das im Sinne der Künstlerinnen. hey

Bewerbungsfotos können noch an die Adresse Wir-AG, Steinbergstr. 42, 31139 Hildesheim gesandt werden. Infos zum Festival unter www.garage-g.de