Wo Musik rauskommt, ist keine Demo drin

Findet jedenfalls die Versammlungsbehörde. Gestern entschied sie, der Musik-Demo am 10. Juli den politischen Charakter abzusprechen. Die Organisatoren kämpfen weiter: Sie haben jetzt das Verwaltungsgericht eingeschaltet

Ist Musik nun politisch oder nicht? Der Streit um den „Music Day“, die für den 10. Juli geplante Demo, beschäftigt nun das Verwaltungsgericht. Gestern Nachmittag verweigerte die Versammlungsbehörde den Initiatoren der Demo „Mit Musik gegen den Ausverkauf der Musik“ endgültig den „Charakter einer Versammlung“. Ein Sprecher betonte: „Wir haben die Initiative nicht verboten. Aber nach unserer Auffassung handelt es sich nicht um eine Versammlung.“ Das Demo-Amt sieht in dem von Kay Neumann angemeldeten Protestzug eine „Substitutionsveranstaltung“ zur Love Parade. Nicht nur Ort und Datum stimmten überein, die Organisatoren hätten ihre Aktion auch nur wenige Stunden nach der Absage des Techno-Umzugs angemeldet. Somit gelte der Aufzug als „Veranstaltung“ im eher kommerziellen Sinne.

„Wir sind sehr enttäuscht“, sagte Neumann nach der Absage. Die Initiative habe sofort eine einstweilige Anordnung vor dem Verwaltungsgericht erwirkt, das den Demo-Status prüfen soll. Mit einer Entscheidung rechnet Neumann in der kommenden Woche. Bis dahin läuft alles erst mal weiter wie bisher. So stellten die Demo-Planer erste Details ihres Programms vor und verwiesen auf den politischen Inhalt ihres Vorstoßes. Im Vordergrund steht der erbitterte Streit zwischen den großen Musiklabels wie Sony, Warners und Universal auf der einen sowie der Gema und unabhängigen Labels auf der anderen Seite. Erst vor wenigen Monaten hatten sich die Musik-Majors geweigert, einen Großteil der fälligen Gema-Gebühren auszuzahlen, die an die kleinere Konkurrenz fließen soll.

„Am 30. Juni werden viele kleine Labels und Musikschaffende zum ersten Mal schwarz auf weiß sehen, welche Wirkung dieser Schritt finanziell auf sie hat. Sie werden im Schnitt nur die Hälfte der Gelder bekommen, die ihnen zustehen“, sagt Neumann. Und deshalb will man am 10. Juli durch den Tiergarten ziehen. „Alles ist erlaubt, vom Pkw bis zum Truck. Und da Musik das Kommunikationsmittel von Musikern ist, wird natürlich auch mit Musik demonstriert.“

In aller Breite übrigens: U. a. treten das Kammerorchester der Deutschen Oper, Knorkator, Der Junge mit der Gitarre und HipHop-DJ Rabauke auf. Um 14 Uhr soll die Demo am Ernst-Reuter-Platz starten und zum Brandenburger Tor führen. Dazwischen werden Musiker auch längere Reden halten. Statt Werbung sollen Transparente die Wagenkolonne dominieren.

Besorgt ist auch Olaf Kretschmer, Geschäftsführer der Club-Commission als Interessenbündnis der Clubszene: „Die Stadt schmückt sich mit einer lebendigen Club- und Musikszene, engagiert sich aber zu wenig dafür.“ Manche Politiker hätten ein veraltetes Bild von „Vergnügungsstätten“. Vor allem Mittes grüne Baustadträtin Dorothee Dubrau sei wenig kooperativ, wenn neue Clubs Anträge stellten. Kretschmer: „Die heutigen Clubs sind auch Orte mit einer bindenden Funktion in der Gesellschaft.“ Daher unterstützt er die Demo – ebenso wie der Verein „Gesicht zeigen“, der sich für Zivilcourage gegen rechts stark macht. Valerie Thiesmeyer von „Gesicht zeigen“: „Wenn zivilgesellschaftlich wichtigen Projekten das Wasser abgegraben wird, ist die Demokratie in Gefahr. Gerade Musik ist ein hervorragendes Mittel, Menschen zusammenzubringen und Toleranz zu üben.“ TOBIAS VON HEYMANN