Der öffentliche Dienst soll Baath-freie Zone werden

Mitglieder der ehemaligen Regierungspartei des Irak dürfen eigentlich keine Funktionen in Staatsverwaltung und Staatsfirmen haben. Manchmal aber doch

BAGDAD taz ■ „Es ist ein Schlag in das Herz des alten Systems“. So hatte der amerikanische Militärverwalter Paul Bremer vor sechs Wochen den offiziellen Beginn der De-Baathifzierung des Irak angekündigt.

Fortan war es Angehörigen der ehemals 3 Millionen Mitglieder umfassenden Baath-Regierungspartei verboten, irgendwelche Positionen in den neuen irakischen Staatsverwaltungen oder den Firmen des öffentlichen Sektors zu besetzen. Das Ganze, sagte Bremer, sei ein weiterer Hinweis, dass die Besatzungsmächte entschieden gegen Saddam Husseins ehemaligen Machtapparat vorgehen. Betroffen seien, so hieß es damals, 15.000 bis 30.000 Menschen in staatlichen Firmen und 2.000 Mitarbeiter irakischer Ministerien.

Seitdem mussten viele der nach dem Krieg eingesetzten Verwalter den Hut nehmen. Einer von ihnen ist Mussana Qanaan, der zunächst von den Briten eingesetzte irakische Verwalter von Basra, der zweitgrößten Stadt des Landes. Qanaan ist ohne Widerspruch zurückgetreten, wenngleich er heute behauptet, einst nur in die Baath-Partei eingetreten zu sein, um den Stamm der Tamimi zu schützen, dem er vorsteht. Sein Bruder war zuvor von den Schergen Saddam Husseins umgebracht worden. Qanaan bezeichnet das pauschale Dekret Bremers als „eine Verschwendung menschlicher Ressourcen“, da viele der Technokraten und Spezialisten des Landes Mitglied der Baath-Partei gewesen seien.

Ein amerikanischer Beamter des US-Büros für Wiederaufbau gibt ihm Recht. „Die Entscheidung macht den staatlichen Sektor ineffektiver, aber dieser Preis muss eben bezahlt werden, um sicherzustellen, dass die Baathisten aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind“, argumentiert er.

Der Politologe Wamid Omar Nathmi von der Universität Bagdad war nie Mitglied der Baath-Partei. „Ich war daher stets an den Rand gedrängt“, erinnert er sich, wenngleich er sofort der Theorie widerspricht, dass man im Irak ein Mitglied der Baath-Partei gewesen sein musste, um über die Runden zu kommen. Natürlich habe die Partei auch viele Opportunisten angezogen. Aber gerade deshalb müsse man jetzt jeden Fall einzeln untersuchen. Wenn jemand seiner baathistischen Kollegen an der Universität ezwa einen Studenten denunziert habe und sogar für dessen Verhaftung verantwortlich war, dann, sagt Nathmi, solle er heute auch den Preis dafür bezahlen – aber nicht ohne Untersuchung und Gerichtsprozess. Er sei dagegen, alle Baath-Mitglieder pauschal abzuurteilen: „Wir sollten uns mit dem Screenen lieber Zeit nehmen.“

Außerdem, sagt Nathmi, sei die De-Baathifizierungs-Politik der Amerikaner alles andere als konsistent. Im Ministerium für höhere Bildung beispielsweise mussten beispielsweise 47 Beamte gehen, mit dem simplen Hinweis, sie seien Parteimitglieder gewesen. Im Außenministerium wurde dagegen nicht ein einziger höhere Beamter entlassen, obwohl sie alle Parteimitglieder waren. „Es scheint, als ob jeder amerikanische Besatzungsbeamter in seinem Bereich nach seinen eigenen Maßstäben agiert“, beschreibt der Politologe die Lage.

Und dann gibt es da noch etwas, was Nathmi ganz besonders ärgert. Es gebe inzwischen zahlreiche Hinweise, die über die üblichen Gerüchte hinausgehen, dass die Amerikaner einen Teil des alten irakischen Geheimdienstapparates intakt gehalten haben. Besonders jene Saddam-Geheimdienstler, die sich mit den Nachbarn Syrien und Iran beschäftigt haben, sollen wieder zur Arbeit gerufen worden sein. „Wenn es den Besatzern nützlich scheint“, folgert Nathmi, „dann arbeiten sie nicht nur mit den Baathisten, sondern sogar mit dem berüchtigten Geheimdienstapparat Saddam Husseins zusammen.“

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Amerikaner des geheimen Wissens ihrer ehemaligen Feinde bedienen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die gesamte Abteilung „Fremde Heere Ost“ der deutschen Wehrmacht mit ihrem Chef Reinhold Gehlen zu einem amerikanischen Department. Die „Organisation Gehlen“ ging später unter bundesdeutscher Aufsicht in den Bundesnachrichtendienst BND über.

KARIM EL-GAWHARY