„Keine Strukturen zerstören“

Kultursenatorin Karin von Welck fordert Profilschärfung der Museen, Umstrukturierung der HÖB und Kooperationsmodelle für die Geschichtswerkstätten

von Petra Schellen

Sie ist noch keine hundert Tage im Amt und hat die Szene bereits intensiver durchforstet als ihre Vorgängerin in zwei Jahren. Auch ihr Verwundern über das mangelnde Selbstbewusstsein der Hamburger hat Kultursenatorin Karin von Welck bereits kundgetan. Jetzt neigt sich die Schonfrist des unbeschwerten Kennenlernens dem Ende zu: Hart wird in den kommenden Wochen um Gelder gefochten werden.

taz: Frau von Welck, welches ist ihr derzeit vordringliches Desiderat?

Karin von Welck: Das Marketing muss verbessert werden – sowohl in die Stadt hinein, als auch nach außen, damit alle Welt erfährt, welch wunderbare Institutionen wir haben. Hamburg braucht sich mit seinen sehr guten Museen und Theatern wahrlich nicht zu verstecken.

Wie beurteilen Sie denn das Programm des Schauspielhauses – mit Regisseuren und Autoren wie etwa René Pollesch?

Ein Theater muss sich auch solche schrillen Dinge leisten können. Ich glaube, dass Tom Stromberg im Überschwang des Beginns das Hamburger Publikum ein wenig überschätzt hat. Aber inzwischen hat er eine gute Mischung aus Avantgarde und traditionsbewussten Stücken gefunden.

Weitere Dringlichkeiten?

Die Sanierung der Museen. Dazu gehören die bessere Koordinierung der Ausstellungen, eine bessere Vermarktung und eine Profilschärfung. Auch die Öffnungszeiten müssen besser koordiniert werden. Es kann nicht sein, dass fast alle Museen montags geschlossen haben. Für all dies haben wir eine Task Force gebildet, die einige zügig durchzuführende Maßnahmen überlegen soll, aber natürlich auch langfristige Veränderungen einleiten wird.

Wie stellen Sie sich die Profilschärfung der Museen vor?

Ich möchte ein Beispiel nennen: Zwischen dem Museum für Hamburgische Geschichte und dem Altonaer Museum gibt es große Überschneidungen. Da muss man gut abstimmen, wer was zeigt: Wir können nicht überall Schiffsmodelle zeigen. Und es gibt durchaus Themen, die gar nicht vorkommen. Das Museum für Hamburgische Geschichte etwa muss sich dringend der Pop-Kultur zuwenden: Die Beatles haben hier gespielt, und wenn das Haus attraktiv bleiben will, muss es das dokumentieren. Es muss auch über Stadtentwicklung informieren – und das Thema Auswanderer muss dort stattfinden.

Als neues Museum ist das Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm geplant, das im Kaispeicher B residieren soll. Wie beurteilen Sie die Qualität dieser Sammlung?

Ich finde die Sammlung ausgezeichnet und bin überzeugt, dass eine gute Kooperation mit den bestehenden Hamburger Museen gelingen wird.

Wird es einen externen Kurator geben, der bei der Umgestaltung der Sammlung in eine öffentliche Präsentation hilft und kontrolliert, wie hoch der Militaria-Anteil sein soll?

Kontrollieren werden wir nicht. Aber wir werden Herrn Tamm und seinem Team mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Diese Sammlung enthält ja auch Porzellan mit Nazi-Emblemen. Werden Sie darauf achten, dass dies – falls präsentiert – angemessen kommentiert wird?

Solche Exponate müssen kommentiert werden. Und es ist natürlich grundsätzlich etwas anderes, ob man eine Privatsammlung hat oder ein Museum bestückt. Das ist aber auch Herrn Tamm sehr klar, und es wird ein Profi-Berater dabei sein. Das ist notwendig, denn es müssen ja etliche Quadratmeter bestückt werden.

Die Entschuldung der bestehenden Museen wird mehr kosten als die bislang geplanten 2,5 Millionen Euro. Woher werden Sie das Geld nehmen?

Die erwähnte Task Force wird dazu ein Konzept erarbeiten.

Wird die auch Geld akquirieren?

In jedem Museum gibt es einen Konsolidierungsausschuss, der auch über finanzielle Fragen nachdenkt, und wir müssen natürlich Geld einwerben: Ich denke, es gibt auch außerhalb Hamburgs noch mögliche Unterstützer. Da bin ich einigermaßen optimistisch.

Wie optimistisch sind Sie bezüglich des Verbleibs von Hellingers „Schiffsblechen“ neben dem Kalvarienberg am St. Georgs-Kirchhof? Werden Sie sich dem Votum des Bezirks beugen, der das Werk verlegen will?

Ich setze da stark auf Aufklärung. Denn ich bleibe dabei, dass es Sinn macht, Hellinger, der inzwischen ja auch Akzeptanz im Stadtteil genießt, neben dem Kalvarienberg zu belassen. Zudem birgt diese Diskussion ein Grundsatzproblem: Versetzte man die Hellinger-Plastik, würde ein sehr gefährliches Exempel statuiert.

Die Kulturbehörde hat sich verpflichtet, die Skulptur zu pflegen, zu beleuchten und zu beschriften. In welcher Form?

Ich stelle mir eine Beleuchtung vom Boden aus vor. Außerdem soll eine Erklärungstafel aufgestellt werden. Ich habe Prof. Uwe Fleckner, den neuen Ordinarius für Kunstgeschichte, bereits gefragt, ob er mit seinen Studenten dazu ein Konzept erarbeiten könnte. Er war begeistert.

Sie kennen den Streit um die zehn Künstlerstipendien, deren Kürzung immer wieder erwogen wurde. Wie wollen Sie da weiter verfahren?

Wir möchten diese Stipendien dauerhaft auf zehn erhöhen.

Wird die Kulturbehörde alle zehn finanzieren?

Wenn Privatiers einige davon übernehmen, ist das wunderbar, aber – wie auch immer finanziert – zehn sollen es sein.

Besteht die Chance, dass die Subventionen der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen – seit zehn Jahren stagnierend – erhöht werden?

Wir haben eine große Umstrukturierung der HÖB vor uns. Es hat sich ja auch bereits gezeigt, dass durch eine Verbesserung der Qualität – etwa durch die Verlegung der Zentrale an den Hühnerposten – die Nutzerzahl noch zu steigern war.

Könnte das weitere Zweigstellen-Schließungen bedeuten?

Die HÖB-Leitung erarbeitet derzeit ein Umstrukturierungskonzept, dessen Resultate wir abwarten wollen.

... und mehr Geld können Sie den HÖB nicht zugestehen?

Mehr Geld kann ich leider niemandem zugestehen. Das ist ja das Problem, denn ich stehe selbstverständlich hundertprozentig hinter der Aussage des Senats, dass wir alles tun müssen, um bis Ende 2006 den Betriebshaushalt der Stadt zu konsolidieren.

Wird aber in diesen Zeiten Kultur nicht immer wichtiger; wäre es nicht sinnvoll, mehr Geld zu fordern, anstatt sich Sparvorgaben zu beugen?

Ich glaube, man kann keinen Sonderweg für die Kultur einfordern. Das fände ich – angesichts der schmerzhaften Einsparungen etwa im Sozialbereich – unfair. Aber ich werde natürlich kämpfen wie eine Löwin.

Gibt es eine konkrete Sparvorgabe für Sie?

Nein. Jedes Ressort ist aber aufgefordert, zu sagen, wieviel es zur Verfügung stellen kann, ohne Strukturen zu zerstören.

Werden alle bluten müssen?

Nein, nach dem Rasenmäher-Prinzip möchte ich nicht verfahren. Ich kann dazu aber erst Genaues sagen, wenn die Gespräche hinter den Kulissen zu Ende geführt sind.

Können Sie den Geschichtswerkstätten-Mitarbeitern, deren Etat ja um 25 Prozent gekürzt wurde, etwas sagen?

Die Geschichtswerkstätten liegen mir sehr am Herzen, und ich werde alles daran setzen, dass in den Doppelhaushalt 2005/2006 – wie auch in den für 2004, der ja noch nicht beschlossen ist – der jetzige Stand von 400.000 Euro eingestellt wird. Außerdem verspreche ich mir eine Menge von unserem Rahmenprojekt „Kinder- und Jugendkultur“: Dies kann auch für die Geschichtswerkstätten ein Weg sein, in ihrer Arbeit stärker wahrgenommen zu werden – etwa durch Kooperationen mit Schulen. Zum Teil gibt es das schon, aber das kann man verstetigen. Und da wird ja auch über Entgelte geredet.

Wie soll das konkret aussehen?

Für das Ganztagsschulprogramm ist ja beispielsweise Geld vorgesehen, und da könnte ich mir eine Honorierung der Zusammenarbeit mit den Geschichtswerkstätten gut vorstellen.