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Durchgedreht in der Millenniumsnacht

Für Tim Koehne hätte das jahrelange Tauziehen um die brutalen Übergriffe von Polizisten kaum besser enden können. Das Schmerzensgeld von 4.250 Euro ist für deutsche Verhältnisse hoch. Wären Koehnes Verletzungen die Folgen einer normalen Prügelei – er hätte kaum die Häfte erwarten dürfen. Weil aber Polizeibeamte im Dienst zuschlugen, kalkulierte das Gericht mehrere tausend Euro extra. Es ist unwahrscheinlich, dass am Ende eines langen Prozesses die Schmerzensgeldsumme höher ausgefallen wäre. So gesehen hat der Ausgang des Verfahrens gestern sein Gutes.

Aber das ist nur der Blick durch ein kleines Fenster. Durch das große tauchen die engen Grenzen der Wahrheitsfindung auf, die das Gericht gestern selbst eingeräumt hat – nach folgenlosen polizeilichen Ermittlungen und nach einem eingestellten Strafverfahren gegen die beteiligten Beamten. Gegen 13 Personen aus zwei Wachen übrigens, die sich weitgehend geschützt haben, indem sie dicht hielten.

Diese staatlich besoldeten, durchtrainierten Mannsbilder jedoch in einem Verfahren zu erleben, wenn sie mit ihrer in internen Berichten schon dokumentierten Vergesslichkeit nun öffentlich erklären müssen, wie sie gegenüber dem kleinen Tim Koehne in eine Notwehrsituation geraten konnten – das hätte zwar keine Klarheit über die Ereignisse in der Millenniumsnacht gebracht. Aber es hätte der Öffentlichkeit tiefe Einsichten in die Folgen von Korpsgeist geliefert, der aus einer Truppe, die sich zum Fehlverhalten einzelner Mitglieder nicht bekennt, einen Haufen hirnloser Stammler macht – eine Polizei, wie sie niemand will. Eva Rhode