Irland will keine ausländischen Babys

Noch erhält, wer in Irland geboren wird, automatisch die irische Staatsbürgerschaft. Dieses Gesetz soll heute per Referendum geändert werden. Die Parteien sind dagegen – ihre Anhänger nach Umfragen mit großer Mehrheit dafür

DUBLIN taz ■ Dublin ist ein Schilderwald. An jeder Laterne und an jedem Telegrafenmast hängen vier, fünf Wahlplakate. Irland wählt heute seine Europaabgeordneten und Kommunalverwaltungen. Vereinzelt sieht man Plakate, auf denen lediglich „No“ steht. Das „Nein“ bezieht sich auf ein Referendum.

Die Iren müssen heute entscheiden, ob sie ihr Staatsbürgerrecht ändern wollen. Bisher hat jedes in Irland geborene Kind ein durch die Verfassung garantiertes Recht auf die irische Staatsbürgerschaft. Das soll nun anders werden: Um künftig als Ire geboren zu werden, muss mindestens ein Elternteil irisch sein, wenn das Gesetz von der Bevölkerung abgesegnet wird. Und das wird es, die Umfrageergebnisse sind eindeutig: 54 Prozent wollen heute mit Ja stimmen, nur 24 Prozent sind dagegen. Der Rest hat keine Meinung.

Die Befürworter kommen aus allen Bevölkerungsschichten, Altersgruppen und politischen Parteien. Zwar lehnen die Labour Party, die Grünen und Sinn Féin die Gesetzesvorlage ab, doch die meisten ihrer Anhänger sind dafür. „Der Vorschlag im Referendum legitimiert die Intoleranz, die in der irischen Gesellschaft seit einigen Jahren zum Vorschein tritt“, sagte die Juraprofessorin Ivana Bacik, die für die Labour Party bei den Europawahlen kandidiert. „Die bisherige Regelung hat nicht nur in Irland, sondern auch in den USA und in Kanada gut funktioniert. In dieser Sache stehen wir Boston näher als Berlin. Wir müssen dafür kämpfen, dass das so bleibt.“ Die Regierung behauptet dagegen, dass die Verfassungsänderung eine „vernünftige Regelung“ sei, Irland hätte danach immer noch eins der liberalsten Einwanderungsgesetze in der EU.

Irland ist längst nicht mehr das Auswandererland wie früher. Inzwischen leben rund 200.000 Immigranten in Irland. Die Regierung behauptet, dass fast täglich Frauen aus schwarzafrikanischen Ländern wenige Stunden vor der Entbindung in Irland einreisen, damit das Kind als Ire geboren wird und die Eltern automatisches Aufenthaltsrecht in der EU haben.

Was die Regierung mit ihrem Referendum zur Eile antreibt, ist der Fall der kleinen Catherine Chen. Ihre Mutter, eine Chinesin, brachte Catherine in der nordirischen Hauptstadt Belfast zur Welt. Zwar ist Nordirland offiziell Teil des Vereinigten Königreiches, aber laut irischem Gesetz erstreckt sich das Recht auf irische Staatsbürgerschaft auf die gesamte Insel. Die britische Regierung wollte Catherines irischen Pass nicht akzeptieren und Mutter und Tochter abschieben. Chen klagte vor dem Europäischen Gerichtshof. In einer vorläufigen Entscheidung bekam sie vor zwei Wochen Recht: Da die Tochter Irin ist, hat sie in der gesamten Europäischen Union Niederlassungsfreiheit. Allerdings schränkte das Gericht ein, dass das nur für Menschen gelte, die dem Staat nicht zur Last fallen. Catherines Mutter ist Geschäftsfrau – als Sozialhilfeempfängerin wäre sie schon abgeschoben.

Paradoxerweise dürfen sich die Chens nun in jedem EU-Land ihrer Wahl niederlassen – außer in Irland. Denn dort entschied der höchste Gerichtshof im Januar vorigen Jahres, dass ausländische Eltern in Irland geborener Kinder kein automatisches Aufenthaltsrecht haben, auch wenn ihre Neugeborenen irische Staatsbürger sind. 11.000 Familien sind davon betroffen. Einige wurden bereits – mit ihren irischen Kindern – abgeschoben und mussten in ein anderes EU-Land. Die Dubliner Regierung befürchtet, dass „erhebliche Probleme für unsere Beziehungen zu den anderen EU-Staaten auftreten“, falls die Iren ihr Staatsbürgerrecht nicht schleunigst ändern. RALF SOTSCHECK