Die Roma-Aktivistin aus Ungarn

Die ungarische Roma-Politikerin Viktória Mohácsi kommt von weit unten, inzwischen ist sie weit oben angelangt, und beides kann sie schwer zusammenbringen. „Wenn ich auf Konferenzen in Hotels sitze“, sagt sie, „denke ich manchmal: Während wir hier sitzen, haben viele Roma nichts zu essen. Was machen wir hier eigentlich?“ Viktória Mohácsi hat eine kräftige Altstimme, und die hört sich nicht so an, als solle die Welt ein schlechtes Gewissen haben. Ihr ist ein Roma-Politikbetrieb zuwider, der Geld für sich verschlingt, das anderswo ankommen sollte. Viktória Mohácsi, 29, ist seit zwei Jahren Sonderbeauftragte des ungarischen Bildungsministeriums für die Integration von Roma-Kindern. Worum es bei ihrer Arbeit geht, hat sie selbst in ihrer Kindheit erfahren: Sie wuchs in einer armen Roma-Familie in einem abgelegenen ungarischen Dorf an der rumänischen Grenze auf und hatte es wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit in der Schule doppelt schwer. Aber sie hatte auch Glück: Anders als die meisten Roma-Kinder in Ungarn wurde sie nicht auf eine Sonderschule geschickt. Sie machte Abitur, studierte Kommunikationswissenschaften, arbeitete nebenher als Journalistin und Menschenrechtsaktivistin. Sie setzte im ungarischen Bildungssystem ein Antisegregationsgesetz durch, ein „kleiner Erfolg meiner Arbeit“, wie sie sagt. Der liberale Bund Freier Demokraten (SZDSZ) hat sie auf Platz drei seiner Europaparlamentsliste gesetzt. Kein sicherer Listenplatz. Aber mit Glück könnte sie bald als erste Romni im Europaparlament sitzen. KENO VERSECK