Der Norden muss draußen bleiben

Morgen beginnt die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung in São Paulo, Brasilien. Entwicklungsländer wollen dort eine eigene Handelsrunde starten – nur für den Süden

BERLIN taz ■ Der Süden nimmt den Freihandel jetzt selbst in die Hand: Am Rande der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad), die morgen im brasilianischen São Paulo beginnt, soll der Startschuss für eine Süd-Süd-Handelsrunde gegeben werden. Die Entwicklungsländer wollen so zeigen, dass sie auch außerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) untereinander Handelsschranken abbauen können.

Sie nehmen damit einen neuen Anlauf für ein Projekt, das bisher als gescheitert galt. Der erste Versuch 1989, eine „System gegenseitiger Handelspräferenzen“ (GSTP) zu etablieren, hatte keinen durchschlagenden Erfolg: Zu klein waren die Zugeständnisse zur Marktöffnung, zu groß war der Streit zwischen den führenden Entwicklungsländern. Diesmal scheint der politische Wille stark genug zu sein. Länder wie Brasilien, China, Indien und Südafrika wollen in der Handelspolitik gemeinsam vorgehen. So forderte der brasilianische Präsident Lula jüngst bei seinem Staatsbesuch in China eine „neue Geografie des Handels“.

Der Hintergrund: Handelsschranken zwischen Entwicklungsländern sind meist weit höher als zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Das Potenzial ist daher riesig: Wenn Entwicklungsländer ihre Zölle untereinander um die Hälfte senken, könnten sie 15 Milliarden Dollar mehr beim Handel erwirtschaften. Eingeladen zur neuen GSTP-Handelsrunde sind nur Länder der Dritte-Welt-Koalition G 77 sowie China. Deren Vorteil: Zugeständnisse, die in dieser Runde gemacht werden, gelten – anders als bei der WTO – nicht automatisch auch gegenüber den Ländern des Nordens. Die Entwicklungsorganisation Germanwatch begrüßt diese Entwicklung: „Der Süden zeigt, dass er Alternativen zur WTO hat und nicht ständig auf den Norden warten muss“, erklärt Unctad-Expertin Brigitta Herrmann. Sie glaubt, „dass EU und Bundesregierung darauf überhaupt nicht vorbereitet sind“.

Während die GSTP-Initiative für Aufregung sorgt, wird es ansonsten eher ruhig zugehen. Der ehemals linke Thinktank Unctad ist pragmatischer geworden. Und wenn die 192 Mitgliedstaaten nächste Woche die Aufgaben für die kommenden vier Jahre festlegen, wird vieles beim Alten bleiben: Die WTO bestimmt den Welthandel und fasst bindende Beschlüsse. Die Unctad begnügt sich mit der Rolle als Lobbyistin der Entwicklungsländer in den Verhandlungen.NIKOLAI FICHTNER